Was der Stammzellenspende in Deutschland fehlt

Was der Stammzellenspende in Deutschland fehlt

  1. Startseite
  2. Panorama

Drucken

Der Großteil der Stammzellenspender bei der DKMS in Deutschland ist weiß. Für Schwarze Leukämie-Patienten kann das zum Problem werden.

„Dieses Mal geht es wirklich um Herkunft“, sagt die Sängerin Rola auf Instagram: Sie ruft die BIPOC-Community dazu auf, sich als Stammzellenspender oder -spenderin bei der DKMS zu registrieren. Warum? Weil Schwarze Menschen oder Menschen mit vielfältigem Migrationshintergrund es in Deutschland schwerer haben, einen Spender zu finden.

Bei der DKMS Deutschland sind die meisten Spender und Spenderinnen deutscher Abstammung, darauf folgen Spender mit türkischer und polnischer Abstammung. Das hat Konsequenzen, wie Zahlen aus den USA nahelegen. Dort haben Menschen mit weißer Ethnie eine 77-prozentige Chance auf einen nicht-verwandten Spender. Für Menschen mit hispanischer, indigener, asiatischer oder afrikanischer Herkunft liegt die Chance nur bei 46- bis 23 Prozent.

„Diese Tendenz wird auch hierzulande von Ärzten bestätigt“, sagt eine Sprecherin der DKMS BuzzFeed News Deutschland von IPPEN.MEDIA.

Auch um Herkunft, aber auf rassistische Art, ging es im Sylt-Video das einen Experten nicht überrascht

Stammzellenspender finden: „Unter meinen weißen Freunden unwahrscheinlich“

Virginia Abeso Monsuy aus Leipzig hat einen „Erzeuger“ aus Mosambik und eine Mama aus Deutschland, so sagt sie es selbst. Im Frühjahr 2022 wurde bei ihr das myelodysplastische Syndrom (MDS), also eine Vorstufe der akuten Leukämie, diagnostiziert. Einige Monate später brach die akute Leukämie (Blutkrebs) aus. Es folgten mehrere Zyklen Chemotherapie, um die Krebszellen aus ihrem Blut zu beseitigen. Schnell war klar, dass sie eine Stammzellenspende braucht.

Als BIPOC* ist Abeso Monsuy eine der Leukämie-Patientinnen in Deutschland, die es schwerer hatten, einen Stammzellenspender zu finden. „Die Ärzte sagten mir von Anfang an, dass ich unter meinen weißen Freunden wahrscheinlich keinen passenden Spender finde“, erzählt die 33-Jährige BuzzFeed News Deutschland. Sie ließen sich trotzdem typisieren – ohne Erfolg. Ähnlich sei es ihrer Zimmergenossin aus Vietnam gegangen.

Virginia Abeso Monsuy aus Leipzig hatte Leukämie und ist heute dank eines Stammzellenspenders wieder „topfit“. © privat

Die Chance auf ein 100-prozentiges Match war sehr gering, sagt Abeso Monsuy. In der DKMS-Datenbank fand sich schließlich ein Stammzellenspender, dessen Werte zu 80 Prozent mit ihren übereinstimmten. „Das war mir egal, Hauptsache er kann mich retten“, sagt junge Frau aus Sachsen. Heute weiß sie, dass ihr Spender eine ähnliche Herkunft hat. „Ich glaube, es hätte keiner spenden können, der komplett deutsch ist“, sagt sie.

World Blood Cancer Day

Der World Blood Cancer Day (WBCD), den die DKMS 2014 ins Leben gerufen hat, soll Bewusstsein für die Themen Blutkrebs und Stammzellspende schaffen, um so vielen Patienten und Patientinnen wie möglich zweite Lebenschancen zu schenken. Deshalb ist der WBCD der ideale Anlass für alle Interessierten, Stammzellspender oder Stammzellenspenderin zu werden. Hier geht es zum Registrierungsformular.

Mehr zum Thema: Warum es Solo-Mütter in Deutschland schwer haben

Stammzellenspende: „Ich fühle mich irgendwie mit ihm verbunden“

Im Dezember 2022 erhielt die 33-Jährige ihre Stammzellenspende: Das Knochenmark ihres Spenders wurde diesem, soweit sie weiß, peripher aus dem Arm entnommen. Ähnlich wie eine vierstündige Blutentnahme. Als sich die junge Frau im Frühjahr 2023 auf dem Weg der Besserung befindet, schreibt sie ihm einen Brief. Das geht über die DKMS, am Anfang anonym, nach zwei Jahren dürfen Kontaktdaten ausgetauscht werden. (Ähnlich wie bei der Samenspende)

Was sagt man der Person, die einem das Leben gerettet hat? „Ich glaube, ich habe tausendmal Dankeschön geschrieben“, sagt Abeso Monsuy. „Man schreibt einfach los, man denkt nicht viel.“ Sie habe ihrem Stammzellenspender natürlich geschrieben, wie es ihr geht und dass sie alles gut überstanden habe. Ein Jahr lang kam keine Antwort.

Virginia Abeso Monsuy arbeitet nach ihrer Stammzellenspende wieder als Trainierin einer Mädchenfussballmanschaft beim RB Leipzig.
Virginia Abeso Monsuy arbeitet nach ihrer Stammzellenspende wieder als Trainerin einer Mädchenfußballmannschaft. © privat

Bis jetzt: „Gestern lag ein Brief im Briefkasten“, erzählt sie BuzzFeed News Deutschland aufgeregt. „Das ist so überragend!“ Ob sie ihm nun noch einmal antwortet? „Definitiv“, sagt die 33-Jährige. „Ich werde tausendmal Danke sagen, dass er geschrieben hat“. Vielleicht erzähle sie ihm auch, dass sie dank ihm wieder „topfit“ sei, ins Fitnessstudio gehe, wieder kleine Mädchen trainiere und sogar selbst wieder als Fußballerin spielen wolle.

Dies ist ein Artikel von BuzzFeed News Deutschland. Wir sind ein Teil des IPPEN.MEDIA-Netzwerkes. Hier gibt es alle Beiträge von BuzzFeed News Deutschland.

Nächste Woche habe sie sowieso einen Termin in der Ambulanz, da werde sie den Brief abgeben. „Ich will ihn kennenlernen“, sagt Abeso Monsuy. Immerhin habe sie seine Zellen in ihrem Körper, ja sogar seine Blutgruppe übernommen. „Ich fühle mich irgendwie mit ihm verbunden. Obwohl ich ihn nicht kenne, ist er ist einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben.“

Related Articles