Nach dem Coming-out von den Eltern verbannt und schwups in der Gastronomie gestrandet: Warum homosexuelle und trans* Personen Probleme mit ihren Finanzen haben.
Homosexuelle Männer sind für Werbetreibende eine besonders begehrenswerte Zielgruppe, können sich einige schöne Dinge leisten. Der Grund: Sie haben als Paar statistisch gesehen häufiger ein doppeltes Einkommen und oft keine Kinder. Gleichzeitig gibt es in der queeren Community viele Menschen, die keineswegs ein finanziell sorgenfreies Leben führen – sie entsprechen nicht dem Klischeebild und sind auch innerhalb der Szene mit einem Tabu belegt.
„Ich arbeite als freischaffender Grafiker, da gibt es gute und schlechte Monate. Und ich merke, wie mit der Zeit mein Freundeskreis kleiner geworden ist. Wer will schon mit jemandem am Wochenende unterwegs sein, der sich den Eintritt für eine queere Party gar nicht leisten kann?“, sagt Peter (24) aus Berlin zu BuzzFeed News Deutschland von IPPEN.MEDIA.
„Lieber einen schlechter bezahlten Job in einem queerfreundlichen Betrieb“
Die jüngsten Daten des Bundesamtes für Statistik zeigen auf, dass gerade junge Single-Männer in Deutschland finanzielle Probleme haben, von ihnen identifizieren sich laut Ipsos-Meinungsinstitut inzwischen bis zu 22 Prozent als queer. 61 Prozent der überschuldeten Singles sind Männer. Sie haben eine durchschnittliche Schuldenlast von fast 32.000 Euro und brauchen offenbar auch deutlich länger, das Minus auf dem Bankkonto wieder zu tilgen als Frauen.
Mit Blick auf homosexuelle Männer (die überraschend oft die AfD wählen) zeigen sich weitere problematische Besonderheiten, wie auch Kathrin Vogler von der Linksfraktion im Bundestag gegenüber so ausdrückt: „Die schöne Werbetraumwelt kollidiert schnell mit der rauen ökonomischen Realität, in der etwa schwule Männer durchschnittlich weniger Stundenlohn erhalten als ihre heterosexuellen Kollegen und in der viele queere Beschäftigte genötigt werden, lieber einen schlechter bezahlten Job in einem queerfreundlichen Betrieb anzunehmen, als ihre psychische Gesundheit an einem besser bezahlten Arbeitsplatz mit schlechterem Klima gefährden zu lassen.“
Trans* und nichtbinäre Menschen in Deutschland: „Mein Gehalt könnte besser sein“
Nicht nur homosexuelle Männer, sondern auch Frauen sind betroffen. So wie Verena (31). Sie ist lesbisch und arbeitet in einem kleinen Unternehmen im Kulturbereich in Hamburg. „Mein Gehalt könnte natürlich besser sein und definitiv bekommen Büromitarbeiter in anderen Firmen mehr Geld. Aber dafür muss ich keine Angst vor meinem Chef haben“, sagt sie BuzzFeed News Deutschland.
Vogler betont als weiteres Problem die Lebenssituation von trans* und nichtbinären Menschen, die nicht nur Hass und struktureller Diskriminierung am Arbeits- und Wohnungsmarkt ausgesetzt sind, sondern auch für eine angemessene Gesundheitsversorgung zumindest teilweise für die Kosten aufkommen müssten. „Es muss also vermutet werden, dass Verschuldung in der LGBTQIA+-Community kein Randproblem ist, sondern tatsächlich viele Menschen betrifft. Eine bevölkerungsbezogene Studie zur sozialen Lage queerer Menschen in Deutschland ist überfällig, damit wir endlich fundierte Daten zu diesen Fragen bekommen“, fordert die Bundestagsabgeordnete.
Finanzen sind bei queere Menschen weiterhin ein Tabu-Thema
Das eine sind die Rahmenbedingungen, unter denen queere Menschen beim Thema Finanzen leiden, das andere ist die Tabuisierung auch innerhalb der Community. „Finanzprobleme werden leider immer noch von vielen Menschen als Schwäche wahrgenommen. Viele queere Menschen haben bereits mit verschiedenen Diskriminierungsformen zu kämpfen. Das kann dazu führen, dass finanzielle Probleme nicht thematisiert werden, aus Angst, dies könnte zu weiterer Stigmatisierung und Diskriminierung führen“, sagt Nick Hampel vom Jugendnetzwerk Lambda bei BuzzFeed News Deutschland.
Gerade junge queere Menschen treffen Finanzprobleme dabei in besonderer Weise, wie Hampel weiter betont: „Jugendliche sind oft finanziell von ihren Eltern abhängig. Queere Jugendliche sind in der besonders vulnerablen Situation, dass sie durch die Ablehnung ihrer Eltern nach einem Coming-out diese finanzielle Unterstützung verlieren könnten. Leider sehen wir in der Praxis, dass das auch immer wieder passiert.“ Im schlimmsten Fall kommt es zu Obdachlosigkeit der queeren Jugendlichen.
„Ich wurde von meinen Eltern von zu Hause verbannt, nachdem ich mich als schwul geoutet habe“
Hinzu komme, dass Diskriminierung in der Schule, während der Ausbildung oder im Studium jungen queeren Menschen Bildungschancen verwehre – nicht wenige halte es davon ab, gut bezahlte Berufszweige einzuschlagen, wenn diese sich vermeintlich durch ein potenziell weniger queersensibles Umfeld auszeichnen.
„Ich wurde von meinen Eltern von zu Hause verbannt, nachdem ich mich als schwul geoutet habe. Ich kam zwar bei Freunden unter, musste aber schnell Geld verdienen, also landete ich in der Gastronomie. Inzwischen bin ich da irgendwie hängen geblieben, es ist schwierig, noch einmal ganz neu anzufangen“, sagt Daniel (35) aus München.
Ein weiteres Problem laut Hampel ist der erhöhte Stress, dem queere Menschen als Minderheit ausgesetzt sind. Er führe oftmals zu erhöhten Raten an psychischen Problemen bei trans* Personen und anderen queeren Personen führt. Es sei dringend an der Zeit, das Thema endlich zu enttabuisieren – innerhalb wie außerhalb der queeren Community.