Job-Beben bei Volkswagen. Der Autobauer will seine Job-Garantie für rund 110 000 Beschäftigte in Deutschland kündigen. Und selbst Werksschließungen werden vom Vorstand nicht mehr ausgeschlossen.
Hintergrund: Die Führung von Volkswagen hatte ein massives Sparprogramm beschlossen. Bis 2026 will der Autobauer kräftig auf die Kostenbremse treten. Jetzt ist aber klar: Fünf Milliarden Euro fehlen. Sie lassen sich nicht durch sanfte Maßnahmen einsparen.
Bei einem kurzfristig einberufenen Krisen-Gipfel mit Top-Managern informierte der Vorstand über seine Pläne zur „Restrukturierung“ – bei VW Pkw, VW Nutzfahrzeuge und auch in den Komponentensparten.
„Das wirtschaftliche Umfeld hat sich nochmals verschärft, neue Anbieter drängen nach Europa. Dazu kommt, dass vor allem der Standort Deutschland bei der Wettbewerbsfähigkeit weiter zurückfällt“, erklärte Konzernchef Oliver Blume (56). „In diesem Umfeld müssen wir als Unternehmen jetzt konsequent agieren.“
Jetzt soll die seit 1994 immer wieder verlängerte Beschäftigungsgarantie wegfallen. Sie sollte eigentlich bis 2029 gelten. Stattdessen könnte es dann ab dem nächsten Jahr wieder betriebsbedingte Kündigungen bei Europas größtem Autobauer geben.
Rein rechtlich steht Insidern zufolge nichts dagegen, dass VW einseitig diese Tarifvereinbarung aufkündigt – entsprechende Fristen vorausgesetzt.
„Auch Werksschließungen von fahrzeugproduzierenden und Komponenten-Standorten können in der aktuellen Situation ohne ein schnelles Gegensteuern nicht mehr ausgeschlossen werden“, hieß es Montagnachmittag aus dem Konzern.
Landesregierung kritisiert mögliche Werksschließungen
Über die Ausrichtung des Konzerns entscheidet meistens im November die sogenannte Planungsrunde. Gegen die Pläne von Standortschließungen dürfte es im VW-Aufsichtsrat aber auch Widerstand geben: Das Land Niedersachsen ist als Aktionär (20,2 Prozent) mit zwei Kabinettsmitgliedern vertreten – und hat laut VW-Gesetz ein Veto-Recht bei allen wichtigen Entscheidungen.
Etliche Werke (u.a. der Stammsitz Wolfsburg, Hannover, Braunschweig, Emden, Salzgitter) befinden sich in Niedersachsen.
Ministerpräsident und Aufsichtsratsmitglied Stephan Weil (65, SPD) erklärte, er erwarte, „dass sich die Frage einer Schließung von Standorten durch die erfolgreiche Nutzung von Alternativen schlichtweg nicht stellt. Dass die Landesregierung dabei in besonderem Maße die Perspektiven der niedersächsischen Standorte sowie der dort vorgehaltenen Arbeitsplätze im Blick hat, versteht sich von selbst.“
IG Metall: „Wir brauchen keine Rendite-Rambos“
Auch die mächtige IG Metall ist empört. Landeschef Thorsten Gröger: „Der Vorstand hat heute einen unverantwortlichen Plan präsentiert, der die Grundfesten von VW erschüttert und Arbeitsplätze sowie Standorte massiv bedroht. Dieser Kurs ist nicht nur kurzsichtig, sondern hochgefährlich – er riskiert, das Herz von Volkswagen zu zerstören. Ein solcher Kahlschlag wäre inakzeptabel und wird auf entschlossenen Widerstand stoßen.“
Gröger wettert weiter: „Wir brauchen keine kurzfristigen Rendite-Rambos. Das Missmanagement der vergangenen Jahre darf nicht auf dem Rücken der Kollegen ausgetragen werden.“
Betriebsratschefin: „Der Vorstand hat versagt“
Der IG-Metall-Chef nimmt vor allem Konzernchef Blume in die Pflicht. Dessen Aufgabe sei es, „eine klare Zukunftsvision zu kommunizieren, anstatt im Hintergrund Grabsteine für Standorte zu gravieren“.
Daniela Cavallo, Gesamtbetriebsratsvorsitzende der Volkswagen AG, schimpft: „Der Vorstand hat versagt. Die Folge ist ein Angriff auf unsere Beschäftigung, Standorte und Tarifverträge.“
Der angekündigte Hammer-Sparkurs überschattet die anstehenden Tarifverhandlungen, die im Oktober zwischen Volkswagen und der IG Metall beginnen sollen. Die Gewerkschaft fordert für die Beschäftigten ein Lohnplus von sieben Prozent bei einer Laufzeit von zwölf Monaten.