Vier Gründe: Warum die Jobintegration bei Ukrainern dauert

Vier Gründe: Warum die Jobintegration bei Ukrainern dauert

Etwa 22 Prozent der 2022 geflüchteten Ukrainer in Deutschland haben mittlerweile einen sozialversicherungspflichtigen Job.

Quelle: dpa


Als Hunderttausende Ukrainer*innen im Frühjahr 2022 vor der russischen Invasion nach Deutschland flohen, war die Solidarität groß. Mit der Solidarität ging jedoch von Beginn an eine Erwartung einher: Angesichts des Fachkräftemangels und anfallenden Unterbringungskosten sollten sich die Menschen möglichst schnell in den deutschen Arbeitsmarkt integrieren.
Manch einem in der Union oder FDP geht die Arbeitsmarktintegration aber nicht schnell genug: Gerade erst forderte Alexander Dobrindt von der CSU, Kriegsflüchtlinge in die Ukraine zurückzuschicken, wenn sie in Deutschland keine Arbeit annehmen. Das Problem: Würde diese Forderung in die Tat umgesetzt, würde sie vor allem Frauen treffen. Was dann mit ihren Kindern passieren würde? Darauf liefert Dobrindt keine Antworten.

Aktuelle Zahlen der Bundesagentur für Arbeit zeigen, dass zwei Drittel der arbeitssuchenden Menschen aus der Ukraine Frauen sind. Darunter sind viele alleinerziehend. Das ist einer der Gründe, der eine schnelle Arbeitsmarktintegration erschwert. Welche Gründe gibt es noch?

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1. Nachhaltige Arbeitsmarktintegration dauert

Der Anteil hoch qualifizierter ukrainischer Geflüchteter ist in Deutschland sehr hoch. Ursprüngliches Ziel der Bundesregierung war es daher, dass diese Menschen möglichst einen Job finden, der ihrer Qualifikation entspricht.

Es würde den Menschen nicht gerecht, die was können, wenn man sie in prekärer Arbeit oder am Rande einsetzen würde.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) im März 2022

Die Niederlande und Polen haben einen anderen Weg gewählt: den sogenannten “Arbeit zuerst”-Ansatz, wie Migrations-Expertin Kseniia Gatskova von Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB) ihn nennt. Dieser setze auf “einen schnellen Übergang zu schlecht qualifizierten Jobs mit prekären Bedingungen”.

Der von Deutschland sowie Norwegen, der Schweiz und einigen anderen Ländern angewendete Ansatz “Sprache zuerst” setzt auf Investitionen in Bildung und Sprache, die robustere und stabilere Arbeitsmarktverläufe schaffen.

Dr. Kseniia Gatskova, IAB

Der deutsche Ansatz habe zur Folge, dass die Menschen, die an Sprachkursen teilnehmen, dem Arbeitsmarkt noch nicht oder nur begrenzt zur Verfügung stünden, erklärt Gatskova.



Zwei Jahre nach dem Kriegsbeginn in der Ukraine zeigen zwar Polen und die Niederlande Beschäftigungsquoten von etwas über 50 Prozent, es gibt jedoch auch europäische Länder wie Norwegen, die Schweiz und Spanien, die alle zwischen 14 und 19 Prozent liegen.

Dr. Kseniia Gatskova, IAB

Fachleute betonen dabei immer wieder, dass es sich lohnt, Ukrainer*innen nachhaltig auf dem Arbeitsmarkt zu integrieren: Denn Menschen, die in schlechter bezahlten Berufen oder im Niedriglohnsektor arbeiten, verlieren schneller wieder ihre Jobs als diejenigen, die einer höher qualifizierten Tätigkeit nachgehen, und sind entsprechend schneller wieder auf Sozialleistungen angewiesen.

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2. Sprachbarrieren

Hinzu kommen die Sprachbarrieren. Ukrainisch und Deutsch liegen sprachlich weit voneinander weg – anders als etwa Ukrainisch und Polnisch. Letzteres ist ein Job-Vorteil für Ukrainer*innen in Polen. In Deutschland müssen die Menschen jedoch eine komplett neue Sprache lernen – auch das dauert.

“Die Geflüchteten sind keine Arbeitsmigranten. Sie hatten nicht geplant, aus ihrem Heimatland auszureisen, und dementsprechend gab es keine Zeit, die Sprache zu erlernen und Kenntnisse über das Aufnahmeland zu sammeln”, hält Kseniia Gatskova fest.

Auch ethnische Diskriminierung bei der Einstellung ist in Deutschland vorhanden.

Dr. Kseniia Gatskova, IAB

Und selbst nach den Sprachkursen gibt es Schwierigkeiten: Die Kenntnisse würden für den Arbeitsmarkt in der Praxis selbst bei einem B1-Niveau häufig nicht ausreichen, erklärte ein Jobcenter-Berater im Februar gegenüber ZDFheute.

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3. Stockende Anerkennung von Abschlüssen

Auch die Anerkennung von Zeugnissen und Diplomen sei schwierig und dauere lange, unter anderem weil viele ukrainische Abschlüsse nicht mit den deutschen vergleichbar seien, so die Erfahrung des Jobcenter-Beraters.

In einer IAB-Studie aus diesem Jahr heißt es entsprechend: “Das Vorhandensein einer im Ausland erlangten beruflichen Qualifikation allein reicht in Deutschland oft nicht aus, besonders in regulierten Berufen, wo die Anerkennung ausländischer Abschlüsse unerlässlich ist, um eine adäquate Beschäftigung zu finden.”

4. Strukturelle Benachteiligung von Frauen

Frauen bereiten die Sprachbarrieren und die Anerkennungsproblematik dabei besondere Schwierigkeiten. “Frauen haben es grundsätzlich schwerer, sich in die Arbeitsmärkte der Aufnahmeländer zu integrieren”, erklärte Yuliya Kosyakova, die ebenfalls am IAB forscht, bereits im Februar. “Sie arbeiten häufiger in sozialen Jobs und brauchen dafür sehr gute Sprachkenntnisse. Denken Sie an den Gesundheits-, Pflege- oder den Bildungs- und Erziehungsbereich”.

Zudem sind diese Abschlüsse komplizierter anzuerkennen als etwa in klassischen ‘Männerberufen’ wie der IT-Branche oder bei Ingenieuren.

Prof. Dr. Yuliya Kosyakova, IAB

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Hinzu kommen strukturelle Probleme, wie der Mangel an Kita- und Betreuungsplätzen oder die ungleiche Verteilung der Care-Arbeit, die alle Frauen betreffen. Zudem sind Frauen häufiger alleinerziehend als Männer – auch das erschwert die Arbeitsuche. Mit 15 Prozent war der Anteil Alleinerziehender bei geflüchteten Ukrainer*innen laut Statistischem Bundesamt zuletzt deutlich höher als in der deutschen Gesamtbevölkerung mit drei Prozent.

Vor diesem Hintergrund könnten Kürzungen des Bürgergelds Frauen und Kinder besonders hart treffen. Zu diesem Ergebnis sei Kseniia Gatskova zufolge auch eine empirische Studie gekommen, die Kürzungen der Sozialleistungen in Dänemark im Jahr 2002 untersuchte: “Zwar gab es einen Effekt auf die Erwerbstätigkeit der Männer, dieser war jedoch sehr klein und kurzfristig”, erklärt sie.

“Im Gegensatz dazu hatte die Reform schlechte und langfristige Konsequenzen für die Kinder der Geflüchteten: höhere Kinderarmut, geringeres Wohlbefinden der Kinder, allgemein niedrigeres Bildungsniveau und gestiegene Kriminalitätsraten.”

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