Nach den enttäuschenden Spielen im Tokio zeigen sich viele deutsche Sportlerinnen und Sportler angriffslustig und in Topform. Wer hat bei Olympia in Paris Chancen auf Edelmetall?
Von Michal Swiderski
Die Olympischen Spiele stehen vor der Tür. Vom 24. Juli bis zum 11. August steigen die Wettkämpfe in Paris. In 32 Sportarten beziehungsweise 329 Entscheidungen werden die Sportlerinnen und Sportler um Medaillen kämpfen.
Mit Breaking, Skateboard, Sportklettern und Surfen sind vier neue Sportarten dazu gekommen – Karate, Baseball und Softball wurden dagegen gestrichen.
Bei den vergangenen Spielen konnte die deutsche Mannschaft nur bedingt brillieren, kam auf 10 Gold-, 11 Silber- sowie 16 Bronzemedaillen und schaffte es damit im Medaillenspiegel knapp unter die Top 10 – das bisher schlechteste Ergebnis der Historie.
Lässt sich dieses Ergebnis dieses Jahr übertreffen? ran erklärt, wer die größten Chancen aufs Treppchen in Paris hat.
Handball
Das DHB-Team scheint schon in Olympia-Form zu sein: Der Testspielsieg gegen Frankreich stimmt die Fans optimistisch, dass nach Bronze 2016 eine weitere Medaille folgen könnte, doch im Anschluss an die Partie bremste Bundestrainer Alfred Gislason die Euphorie.
Trotzdem stehen zumindest wohl die Chancen auf eine Halbfinalteilnahme nicht schlecht. Auf dem Weg nach ganz oben wird Deutschland allerdings voraussichtlich neben dem Titelverteidiger und Gastgeber auch an Spanien, Schweden sowie Dänemark vorbeikommen müssen.
Bei der diesjährigen Heim-EM erwiesen sich Letztere noch als zu stark. Das soll nun anders sein.
Basketball
Ebenfalls zum Favoritenkreis gehört die Auswahl von Gordon Herbert. Dafür haben die Basketballer spätestens 2023 mit dem sensationellen WM-Sieg gesorgt. Eine Mischung aus NBA-Stars wie Dennis Schröder oder Franz Wagner und vielversprechenden Talenten europäischer Top-Klubs, ergibt auf dem Papier ein Team mit enormem Potenzial.
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Eine Gruppenphase mit Japan, Brasilien und Frankreich gilt als machbar. Im weiteren Turnierverlauf droht ein Duell mit der Über-Mannschaft aus USA, aber auch Teams wie Kanada oder Serbien sollten nicht unterschätzt werden.
Beachvolleyball
Auf ihren ersten großen Titel wartet das deutsche Beachvolleyball-Duo um Nils Ehlers und Clemens Wickler noch. Mit ein wenig Glück müssen sie sich möglicherweise nur noch wenige Wochen lang gedulden – in Wien scheiterten sie nur knapp an den Olympiasiegern Anders Mol und Christian Sørum aus Norwegen.
Bei den Frauen dürfen sich gleich zwei Mannschaften berechtigte Chancen auf Edelmetall ausrechnen. Zum einen haben sich Olympia-Legende Laura Ludwig, für die das bereits die fünfte Teilnahme sein wird, und Ex-Hallenvolleyballerin Louisa Lippmann qualifiziert – die beiden erwartet allerdings eine schwere Gruppe gegen Spanien, Frankreich und die Schweiz.
Svenja Müller und Cinja Tillmann überzeugten früh mit starken Leistungen und sicherten sich ihr Ticket ohne größere Probleme. Können die WM-Dritten von 2023 auch in Paris ihre Mitstreiterinnen ärgern?
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Fußball
Die Generalprobe haben die DFB-Frauen souverän gemeistert. Das 4:0 gegen Österreich bescherte Alexandra Popp und Co. den Gruppensieg, doch das rückte angesichts der ernsteren Knieverletzung von Lena Oberdorf in den Hintergrund.
Zum Abschied möchte Trainer Horst Hrubesch seine Mannschaft, die das Tokio-Turnier noch verpasste und sich 2022 im EM-Finale den Engländerinnen geschlagen geben musste, auf die oberste Treppchenstufe führen. Als die größten Favoriten werden Spanien, die USA und Frankreich gehandelt.
Feldhockey
Ebenfalls auf dem Rasen verfolgen die Hockey-Männer von Team D ein ambitioniertes Ziel. Nach einem enttäuschenden 4. Platz in Tokio soll an Rio 2016 angeknüpft werden und mindestens wieder Bronze herausspringen.
Das Team von André Henning wird dafür wohl auch den Kampf gegen Schwergewichte wie die Niederlande oder Australien annehmen müssen. Vor acht Jahren schafften es auch die Frauen aufs Treppchen. Diesmal stehen die Chancen des Weltranglistendritten mindestens genauso hoch wie die der Männer.
Leichtathletik
Weiter geht es mit den Einzelsportarten. In der Leichtathletik setzen die Deutschen ihre Hoffnungen in ein Quintett. Dass dazu auch Weitsprung-Star Malaika Mihambo gehört, dürfte keine große Überraschung sein.
Die Olympiasiegerin und zweimalige Weltmeisterin machte aus ihrem Ziel für Paris kein Geheimnis. Sie möchte erneut nach der Goldmedaille greifen und dabei am liebsten ihre bisherige Bestleistung von 7,22 Meter knacken.
Mihambo träumt nicht als einzige vom Edelmetall: “Die Medaille habe ich auf jeden Fall im Blick und auch als Motivation als Handyhintergrund gemacht”, gab Speerwurf-Europameister Julian Weber auf einem Event in der Französischen Botschaft zu.
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Niklas Kaul und Leo Neugebauer gehören hingegen zur Zehnkampf-Weltspitze. Dem 26-jährigen Kaul fehlt nach dem Europa- und Weltmeistertitel noch eine Medaille – ausgerechnet Landsmann und Shootingstar Neugebauer könnte ihm das Erreichen dieses Ziels erschweren.
Ein Wettlauf gegen die Zeit erwartet Tobias Potye. Der Hochspringer befand sich eigentlich in Topform und stellte beim Internationalen Hochsprung-Meeting von Heilbronn eine neue persönliche Saisonbestleistung auf.
Später die Schrecksekunde für seine Fans: Potye musste mit Fußschmerzen abbrechen. Um in Paris gegen Topfavorit Mutaz Essa Barshim aus Katar eine Chance zu haben, sollten diese nachlassen.
Rudern
Für Oliver Zeidler ist es nach je drei Europa- und Weltmeistertiteln an der Zeit, sich eine Olympiamedaille zu erkämpfen. In Tokio hatte er den Einzug ins A-Finale überraschend verpasst. Das soll jetzt anders laufen. Neben der Einer-Disziplin ist Deutschland übrigens nach Silber 2021 auch im Achter absolut konkurrenzfähig.
Mehr als konkurrenzfähig ist ein hiesiges Schwimm-Quartett angeführt von Florian Wellbrock. Der Tokio-Olympiasieger im 10-Kilometer-Freiwasser schätzte seine Medaillenchancen beim “Weser Kurier” als “gut bis sehr gut” ein.
Ähnliches dürfte für Weltmeisterin Angelina Köhler sowie Vizeweltmeister-Duo Lukas Märtens und Isabel Gose gelten. Leonie Beck hat ihre Qualitäten mit sechs Goldmedaillen schon beweisen können. Jetzt soll es im dritten Anlauf auch bei Olympia klappen.
Segeln
Im Windsurfen kommt es dieses Jahr zu einer Änderung: iQFOiL ersetzt RS:X und damit gehört auch Sebastian Kördel zu den Titelanwärtern.
“Ich muss mich mit meinem Speed nicht verstecken”, wird der Weltmeister 2022 vom “Tagesspiegel” zitiert. Er wisse, dass er alle schlagen könne.
An Ambition mangelt es Simon Diesch und Anna Markfort ebenfalls nicht. Das Duo geht in der 470er-Mixed-Disziplin an den Start. Ersterer träumt davon, es genauso wie sein Vater und Onkel auf die oberste Podeststufe zu schaffen.
Kanurennsport
Gleich mehrere Medaillen könnte Team D im Kanurennsport einfahren. Zum einen gilt es für den Kajak-Vierer, eine Neuauflage des Triumphs von 2021 umzusetzen.
Im Canadier-Zweier wollen zum anderen Peter Kretschmer und Tim Hecker aufs Treppchen springen. Sebastian Brendel kennt das Gefühl schon sehr gut. Der Einer-Akteur holte beis jeder seiner drei Olympia-Teilnahmen mindestens einmal Edelmetall, in Rio war es sogar Doppel-Gold.
Kanuslalom
Sideris Tasiadis hofft wohl darauf, dass “aller guten Dinge sind drei” auch in seinem Fall zutrifft. Nach Silber in London und Bronze in Tokio wäre seine Sammlung mit Gold in Paris komplett.
Das Wichtigste in Kürze
Einen Olympiasieg hat Ricarda Funk bereits in der Tasche. Dieses Kunststück von vor drei Jahren möchte sie nun trotzdem unbedingt wiederholen, weil die “Corona-Spiele” in Tokio ohne Freunde und Familie keine richtigen gewesen seien, erklärte die Athletin dem “SWR”.
Tennis
Im Tennis-Einzel der Männer ist die Ausgangslage aus deutscher Sicht klar. Es wird wohl nur Alexander Zverev um Edelmetall mitspielen können, dafür hat er 2021 mit dem Finalsieg bewiesen, dass er in der Lage dazu ist. Der gebürtige Hamburger laborierte zuletzt an einer Knieverletzung, die er sich in Wimbledon zugezogen hatte. Anschließend schaffte er es bei der Olympia-Generalprobe in seiner Heimatstadt Hamburg bis ins Finale. Die Form stimmt also.
Tischtennis
Coach Jörg Roßkopf hatte die Qual der Wahl: Wer soll neben Europameister Dang Qiu und dem zweimaligen Olympia-Dritten Dimitrij Ovtcharov nominiert werden – Tischtennis-Urgestein Timo Boll oder Champions-League-Sieger Patrick Franziska, der 2021 die Silbermedaille im Team gewann.
Die Entscheidung fiel auf den 43-jährigen Boll. Die Spiele sollen das letzte Turnier seiner Karriere werden. Die größten Chancen auf eine Medaille hat allerdings wohl Ovtcharov, in dessen langem Titel-Portfolio man ein Olympia-Gold vergeblich sucht.
Bahnrad
Vor drei Jahren glänzte Deutschland in der Teamverfolgung über 4000 Meter und stellte einen neuen Weltrekord auf. Ihren Erfolg wollen auch die Sprinterinnen Emma Hinze und Lea Sophie Friedrich wiederholen, beziehungsweise im besten Fall sogar Gold statt Silber holen. Letztere schielt zusätzlich auf eine Medaille im Kampfsprint, auch Keirin genannt.
Turnen
Aufatmen bei Lukas Dauser: Der Barren-Weltmeister und Vize-Olympiasieger ist wieder fit und kann in Paris voraussichtlich angreifen. Damit ist nicht nur das Treppchen, sondern die Goldmedaille gemeint.
Schießen
Doreen Vennekamp möchte die Erwartungen dämpfen, aber die Fakten sprechen für sich: Die Weltranglistenerste krönte sich 2023 zur Weltmeisterin und stellte einen neuen Weltrekord auf.
Im Interview mit “op-online” verriet die Sportsoldatin, dass sie seit Platz sieben in Tokio an mehreren Dingen, darunter an der Präzision und ihrem Umgang mit Druck, gearbeitet habe.
Ebenfalls als Mitfavoriten gelten Luftgewehr-Spezialistin Anna Janßen, Mixed-Hoffnung Maximilian Ulbrich sowie natürlich Routinier Christian Reitz mit Olympia-Gold und -Bronze auf der Habenseite.
Bogenschießen
Das Trio um Katharina Bauer, Michelle Kroppen und Charline Schwarz reist mit dem Weltmeistertitel im Gepäck nach Frankreich. Schon 2021 holte das Team die Bronzemedaille
Theoretisch reichen lediglich drei Siege für Edelmetall. Unter anderem Frankreich und Südkorea dürften diesen Plan allerdings ebenfalls verfolgen. Bauer, die nun einen EM-Triumph einfuhr, kann sich zudem Chancen im Einzel ausrechnen.
Reiten
Spätestens seit ihrem Doppel-Gold in Tokio ist Jessica von Bredow-Werndl nicht mehr nur Pferdesport-Fans ein Begriff. Im Duo mit Dalera zählt die 38-Jährige erneut zu den Favoritinnen. “Wir wollen nicht Zweiter werden”, kündigte Bredlow-Werndl im Gespräch mit dem “BR” an.
Im Auge behalten sollte man auch Michael Jung und seinen Chipmunk. Der Vielseitigkeitsreiter sicherte sich im Juni zum vierten Mal die Deutsche Meisterschaft.
Rhythmische Sportgymnastik
Die 17-jährige Darja Varfolomeev glänzte auf den letztjährigen Weltmeisterschaften mit Gold in allen fünf Einzeldisziplinen. Mittlerweile ist sie aus dem Favoritenkreis nicht mehr wegzudenken – zu diesem gehört auch Trainingskollegin Margarita Kolosov.
Übrigens: Anders als in der Rhythmischen Sportgymnastik, wird es für Team Deutschland in vier Sportarten sicherlich kein Edelmetall geben. Im Breaking, Rugby, Wasserball und Gewichtheben haben sich keine hiesigen Athletinnen und Athleten für das Event in Paris qualifiziert.