Neue Statistik: Weniger als die Hälfte der Syrer in Deutschland hat einen Job

Neue Statistik: Weniger als die Hälfte der Syrer in Deutschland hat einen Job

Auf dem deutschen Arbeitsmarkt bleiben syrische Zuwanderer weit hinter anderen Migrantengruppen zurück. Experten sehen neben Qualifikationsdefiziten auch Fehlanreize im Sozialsystem als Grund.

Sind schlecht in den Arbeitsmarkt integriert: syrische Flüchtlinge in Deutschland.

Jochen Tack / Imago

Nach dem Sturz des syrischen Regimes wird in Deutschland über den Umgang mit Flüchtlingen aus dem Land diskutiert. Neue Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen nun: Die Integration in den Arbeitsmarkt kommt nur schleppend voran, nicht einmal jeder zweite Syrer im erwerbsfähigen Alter geht einer regulären Beschäftigung nach.

Von den 863 000 Menschen mit syrischer Einwanderungsgeschichte im Alter von 15 bis 64 Jahren waren im vergangenen Jahr lediglich 42 Prozent erwerbstätig. Weitere 8 Prozent waren zwar auf Arbeitssuche, aber ohne Anstellung. Zum Vergleich: Bei der Gesamtbevölkerung mit Einwanderungsgeschichte liegt die Erwerbstätigenquote bei 73 Prozent, bei Menschen ohne Migrationshintergrund sogar bei 83 Prozent.

Die Statistik zeigt auch: Die Hälfte der Syrer im erwerbsfähigen Alter – rund 435 000 Menschen – gehört zur Gruppe der sogenannten Nichterwerbspersonen. Das bedeutet: Sie stehen dem Arbeitsmarkt aus verschiedenen Gründen nicht zur Verfügung, etwa weil sie sich noch in Ausbildung befinden, keine Arbeitserlaubnis haben oder aus gesundheitlichen Gründen nicht arbeiten können.

Jeder Fünfte noch in Ausbildung

Das Statistikamt sieht als einen wichtigen Grund für diese hohe Quote vor allem das niedrige Durchschnittsalter: 19 Prozent der 15- bis 64-Jährigen mit syrischer Einwanderungsgeschichte befinden sich noch in der Schule oder in der Ausbildung, deutlich mehr als bei der Gesamtbevölkerung mit Einwanderungsgeschichte oder ohne Einwanderungsgeschichte. Im Schnitt lebten die aus Syrien Eingewanderten 2023 seit rund 8 Jahren in Deutschland. Zum Zeitpunkt ihrer Einreise waren sie durchschnittlich rund 23 Jahre alt.

Doch auch unter Berücksichtigung dieses Faktors liegt die Quote der Nichterwerbspersonen deutlich über dem Durchschnitt: Sie ist fast dreimal so hoch wie bei Menschen ohne Migrationshintergrund (17 Prozent) und fast doppelt so hoch wie bei der Gesamtbevölkerung mit Einwanderungsgeschichte (27 Prozent).

Die Qualifikationsstruktur der syrischen Einwanderer stellt eine zusätzliche Herausforderung dar. Nur etwa jeder fünfte Syrer (22 Prozent) verfügt über einen Berufsabschluss. Zwar gibt es unter ihnen 106 000 Akademiker, doch die grosse Mehrheit – knapp 60 Prozent – hat überhaupt keinen Berufsabschluss.

Wie unterschiedlich die Integration dieser Akademiker verlaufen kann, zeigt ein Blick in das deutsche Gesundheitswesen: Nach aktuellen Zahlen der Bundesärztekammer stellen Syrer mit 5758 Ärzten inzwischen die grösste Gruppe unter den ausländischen Medizinern in Deutschland – vor Kollegen aus Rumänien (4312) und Griechenland (2587). Sie stellen somit 1,3 Prozent aller Ärzte im Land.

Es fehlt an Sprachkenntnissen und Ausbildung

Die niedrige Erwerbsquote habe strukturelle Gründe, sagt der Arbeitsmarktexperte Holger Schäfer vom Institut der deutschen Wirtschaft. «Viele von ihnen kamen während des Bürgerkriegs aus humanitären Gründen zu uns, nicht als Fachkräfte», sagte der Ökonom im Gespräch mit der NZZ. Häufig fehlten deshalb anerkannte Ausbildungen oder ausreichende Deutschkenntnisse, und die bürokratische Anerkennung von Abschlüssen dauere oft lange. «Das macht es schwer, schnell einen passenden Job zu finden.»

Die schlechte Wirtschaftslage verschärfe die Situation. «Jobs, die keine besonderen Qualifikationen erfordern, werden oft zuerst abgebaut oder durch Maschinen ersetzt.» Gleichzeitig habe Deutschland viele Flüchtlinge erst ausbilden lassen, bevor sie arbeiten konnten. «Diese lange Zeit ohne Arbeit schafft eine Distanz zum Arbeitsmarkt, die später schwer aufzuholen ist.»

Der neue Ansatz der Bundesregierung, die Zuwanderer direkt in den Arbeitsmarkt zu integrieren bei gleichzeitiger berufsbegleitender Qualifizierung, sei grundsätzlich der richtige Weg – auch wenn der Zeitpunkt aufgrund der schwachen Arbeitskräftenachfrage ungünstig sei.

Bürgergeld setzt falsche Anreize

Dazu komme ein grundsätzliches Problem bei den Sozialleistungen: Das Bürgergeld-System setze «falsche Anreize». Viele Zuwanderer nähmen deshalb nur einen Mini-Job oder eine Teilzeitstelle an und stockten ihr Gehalt mit Sozialleistungen auf, statt Vollzeit zu arbeiten. Die Sanktionsmöglichkeiten wiederum fielen durch die jüngsten Reformen mittlerweile «zu lasch» aus, sagt Schäfer. «Diese Fehlanreize im System treffen zwar alle Bezieher von Sozialleistungen, aber sie machen es gerade Zugewanderten noch schwerer, richtig im Arbeitsmarkt Fuss zu fassen.»

Die Regierungsparteien SPD und Grüne wollten sich auf Anfrage zu den neuen Zahlen nicht äussern. Anders der vormalige Koalitionspartner von der FDP: Die Ausbildung dürfe zwar nicht vernachlässigt werden, sagte der FDP-Wirtschaftspolitiker Carl-Julius Cronenberg der NZZ. Integrations- und Bildungskurse könnten aber auch neben der Arbeit stattfinden. «Wenn zu viel Zeit bis zur Jobsuche vergeht, trägt dies nicht zu einer gelungenen Integration bei.»

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