Popkultur-Spektakel pur: Die als schwierig geltende US-Rapperin verzückt die frenetischen Fans in der Lanxess Arena.
Köln (rnk) – Über der Europa-Tour von Nicki Minaj liegt kein guter Stern. Angefangen bei der vorübergehenden Festnahme in Amsterdam und deren Auswirkungen auf den weiteren Fahrplan. Ein Konzert in Manchester fiel aus und so auch eines von zwei Konzerten in der Kölner Lanxess Arena. Die Menschen, die gestern Abend nun vor der Arena stehen, stört dies freilich wenig. Sie sind froh, dass Nicki Minaj da ist.
Dem Konzert blicken sie dennoch mit gemischten Gefühlen entgegen: Die Rapperin gilt als schwierig und erscheint manchmal viel zu spät auf der Bühne. Vorsicht ist bei unberechenbaren Stars stets geboten. Wer beispielsweise die Libertines in ihrer chaotische Phase erlebt hat oder Amy Winehouse in allerletzte Sekunde eben doch nicht, weiß, was Kummer ist. Die kontroverse Künstlerin hat gleichwohl das Glück – ähnlich wie die BTS-Army oder die Swifties – eine Ultra-Fanbase zu besitzen: Die ‘Barbz’ halten ihr die Treue – trotz oder gerade wegen der Eskapaden. Nicki Minaj zeigt dazu noch Ecken und Kanten, auch, wenn diese auf den letzten Alben zunehmend einem verträglicheren Pop-Sound gewichen sind.
Barbiecore-Fun
In der Halle dominiert dann die Farbe Pink in sämtlichen Kombinationen. Wer dieser Farbe, gleichzeitig Punk und Kommerz, nichts abgewinnen kann, braucht starke Nerven. Es herrscht eine laute und schrille Barbiecore-Fröhlichkeit mit viel Glitzer und noch mehr Make-Up vor. Blickt man in die noch spärlich gefüllte Halle, erinnert vieles an Junggesell:innen-Ausflüge. Und statt JBL-Boombox mit Schlager-Megamix gibt DJ Boof auf die Ohren, der urplötzlich auf der Bühne steht, ein kleines Türchen hat sich in der monströsen Kulisse geöffnet.
Es folgen eine Stunde lang neuerer Trap-Sound und ältere Hits wie “Party Up” von DMX. Boof animiert die Menge unentwegt mit La-Ola-Wellen und Catwalks. Der DJ ist queer und erinnert an die Ballroom-Szene der Neunziger. Eine Feier des Lebens, der Freude und ein Space in einer für queere Menschen immer noch unsicheren Welt. Doch Trübsinn hat hier keinen Platz, die Leute feiern die Drag-Queens und nehmen sie als Teil der eigenen Barbie-Kultur wahr. “Hat jemand Weed dabei?“, scherzt Boof zum Ende des Sets. Die Frage, ob jemand außerhalb seines Landes schon mal Weed geraucht hat, verneint die Menge lachend. Ein wenig kippt die gute Laune, als er zum vermutlich zehnten Mal den wirklich letzten Song ankündigt.
Die Crowd tobt
Um 21:45 Uhr bejubelt man endlich unter ohrenbetäubendem Applaus die Ankunft der Queen. Die Rapperin steht in einer Mischung aus Ritterrüstung und Tüll da, klimpert mit langen Augenwimpern und bringt die frenetische Menge um den Verstand. Alles Übertriebene ist Teil des Konzepts Nicki Minaj, ihre Popkultur spiegelt sich nicht nur auf den riesigen LED-Wänden in all ihren Facetten wider. Solange sie die Menge auch hat warten lassen, so atemberaubend schnell geht es nun ab. In nicht mal zwanzig Minuten hagelt es acht Songs, beeindruckend schnelle Kostümwechsel und viele Tänzer. Letztere sehen mal wie gaye Cowboys aus oder als wären sie einer Daft Punk-Fetischparty entsprungen.
Die Crowd tobt, die Unterränge der Halle wackeln fast schon bedrohlich. Man wird einem Lowrider gleich auf dem Sitz durchgerüttelt. Eine ordentliche Reizüberflutung bricht sich Bahn, ständig passiert etwas auf der Bühne. Hier schießt plötzlich ein Tänzer nach oben, dort züngeln Flammen aus dem Boden, und im Hintergrund flimmern stets die Visuals. Innerhalb von Sekunden wechseln diese von Horror-Clown zu Nintendo-Ästhetik oder Stripclub-Atmosphäre. Was noch real ist und was nicht, verwischt immer mehr. Playback, Halb-Playback – wer weiß es schon?
Psycho-Barbie und Pop-Barbie
Der erste, roughere Teil des Gigs bleibt im Gegensatz zum zuweilen glattpolierten Sound von “Pink Friday 2” angenehm anders. “Barbie Dangerous” bekommt live endlich so etwas wie Leben eingehaucht, und gerade das leider nur kurz angeteaserte “Hard White” zeigt jene angriffslustige Rapperin, die ihre Gegner auffrisst – die Psycho-Barbie statt der Pop-Barbie mit “Fallin 4 You”. Trotzdem rührend, wie ein Fan den Song für seine Freundin streamt, die ergriffen weint und ihrem Liebsten tausend Küsschen zurückwirft.
Es bleibt eine hohe Delivery, was Minaj hier auffährt. Einer Diva würdig, die zwar unberechenbar bleibt, auf der Bühne dann aber abliefert: 33 Songs bis zum Schluss, was angesichts der teils horrenden Ticketpreise auch angemessen ist. Das war ein großes Entertainment-Spektakel. Nicki Minaj spittet immer noch wütend (“Chun-Li”), kann aber auch Stadion-Pop. In einem Monat spielt übrigens Megan Thee Stallion, mit der sie einst eine Freundschaft verband. Man wird sehen, ob Megan die Queen vom Thron stürzen wird. Bei Nicki Minaj wird es jedenfalls nie langweilig, mehr kann man von Künstler:innen auch kaum verlangen.
Text: Rinko Heidrich.