Job-Angst in Deutschland und die Forderungen der IG-Metall

Job-Angst in Deutschland und die Forderungen der IG-Metall

Fast jeden Tag gibt es neue Hiobsbotschaften aus der Wirtschaft: Umsatzrückgänge, Insolvenzen, Job-Abbau, Werksschließungen. Vor allem die Automobilhersteller inklusive der zahlreichen Zulieferfirmen stehen unter Druck. Neben den Unternehmen setzen auch die Gewerkschaften auf Unterstützung aus der Politik.

IG-Metall-Chefin Christiane Benner fordert im ARD Interview der Woche die demokratischen Kräfte im Bundestag auf, in den nächsten Tagen parteiübergreifend zusammenzuarbeiten. Nach dem Aus der Ampel-Koalition fehlt der Bundesregierung eine eigene Mehrheit. Benner wünscht sich deshalb, dass die Politiker den Beschäftigten und Arbeitgebern “Zuversicht unter den Christbaum legen”.

Energiekosten und E-Mobilität: Entscheidungen vor der Wahl?

Es gebe mehrere Themen, die die Bundestagsabgeordneten noch vor der Wahl abräumen könnten. “Wir haben einfach keine Zeit, nochmal ein halbes Jahr mit bestimmten Entscheidungen zu warten”, meint Benner. Dabei denkt sie vor allem an Beschlüsse, um Energiekosten und Netzentgelte zu senken sowie den Kauf von Elektroautos anzukurbeln. “Die Sachen liegen auf der Straße, die erfolgen müssen”, sagt sie.

Die Menschen hätten für viele Vorgänge in Berlin wie zum Beispiel die Art und Weise, wie die FDP aus der Bundesregierung ausgestiegen ist, kein Verständnis. Und genauso wenig Verständnis gebe es, “wenn jetzt nicht mehr wichtige Entscheidungen herbeigeführt werden, die ja noch herbeigeführt werden können”. Die Gesetzentwürfe lägen auf dem Tisch und dürften nicht aus Parteitaktik und Machtinteressen auf der Strecke bleiben.

Viele Menschen würden sich mit ihren Problemen nicht gesehen fühlen, beobachtet die Gewerkschaftsvorsitzende. Dabei seien diese Probleme sehr konkret: hohe Mieten, gestiegene Energiekosten, zu wenig Kita-Plätze in ländlichen Gebieten. “Und dann kommt noch das Thema dazu, dass der eigene Arbeitsplatz in Gefahr ist”, betont Benner, zumindest wenn man in einem von der Krise betroffenen Unternehmen arbeitet.

Benner beobachtet “massive Verunsicherung”

“Das ist eine massive Verunsicherung”, beobachtet sie. Die IG-Metall-Chefin sieht sowohl die Arbeitgeber in der Verantwortung als auch die Politiker. Die Abgeordneten seien jetzt gefordert, das zu tun, was sie können, um zur Arbeitsplatzsicherheit beizutragen. Sie fordert auch eine Reform der Schuldenbremse und damit neue Schulden aufzunehmen, um mehr in die Infrastruktur investieren zu können. “Ich bin mir sicher, dass auch die künftige Bundesregierung nicht um dieses Thema herumkommt”, sagt sie.

Zu viele Fragezeichen auf dem Weg zur Klimaneutralität

Auf dem Weg hin zur klimaneutralen Industrie gebe es bei vielen Menschen Fragezeichen: Was ist mit der Ladeinfrastruktur? Was ist mit den Preisen beim Ladestrom? Wann kommen Ladestationen für Lastwagen? Hier müsse die Politik liefern. Denn wenn die Menschen das Gefühl hätten, das klappe nicht, weil die Strukturen nicht passen und sie am Ende noch den Job verlieren, “dann wird die ganze grüne Geschichte echt schlecht”. Dann würden die Menschen den Glauben an den wichtigen grünen Umbau der Wirtschaft verlieren.

Über die allgemeine Wirtschaftslage sagt sie: “Ich bin sehr besorgt und wütend.” Betroffen seien nicht nur große Konzerne, sondern auch die Zulieferer der Zulieferer. “Die ganzen industriellen Strukturen entlang, sind gerade am Wackeln”, so Benner.

Die Hauptverantwortung dafür sieht sie in den Chefetagen der Unternehmen. Gerade in der Automobilindustrie seien Entwicklungen wie beispielsweise Innovationssprünge in China nicht rechtzeitig gesehen worden.

IG Metall sieht neue Dimension im Streit mit Arbeitgebern

Sie kritisiert den “Konfliktkurs”, der in vielen Betrieben nun gefahren werde. Viele Arbeitgeber würden auf Lohnkürzungen, Stellenabbau und Werkschließungen setzen. “Und mir kann niemand richtig erklären, was dadurch besser wird”, sagt sie. Es könne nicht sein, dass die Arbeitnehmer jetzt einseitig die Zeche zahlen sollen.

Benner warnt davor, dass durch den angekündigten Abbau von Arbeitsplätzen zum Beispiel bei VW, Ford und vielen Zulieferbetrieben ganze Industriebereiche erst recht kaputt gemacht werden. “Und das, was an Produktion weg ist, ist weg und kommt nicht wieder”, mahnt sie. “Wenn wir jetzt verpassen, richtig abzubiegen, haben wir echt ein Problem.”

Statt Jobs abzubauen, fordert sie in Zukunftsbereiche wie die Forschung und Produktion von Batterien, autonomes Fahren, Digitalisierung und Künstliche Intelligenz zu investieren und die Produktivität in den Betrieben zu verbessern: “Wenn wir da stark werden, dann hätten wir die Wettbewerbsvorteile, die China im Moment hat, aufgeholt.”

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