Bei ZF, einem der größten Autozulieferer der Welt, könnte jede vierte Stelle in Deutschland wegfallen. Der Konzern mit Sitz in Friedrichshafen am Bodensee will die Zahl der 54.000 Beschäftigten hierzulande „bis Ende 2028 sukzessive um rund 11.000 bis 14.000 reduzieren“, heißt es in einer Mitteilung vom Freitag. Für Geschäfte mit Elektroantrieben, in das ZF Milliarden investiert hat, werden Partner gesucht. „Der Ernst der Lage verlangt nach entschiedenem Handeln“, wird Konzernchef Holger Klein in einer Mitteilung zitiert.
Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige
Damit würden die Einschnitte noch härter ausfallen, als bisher schon diskutiert. „Der ZF-Vorstand hat sich gegen die Zukunft von Standorten und Tausenden von Mitarbeitern in Deutschland entschieden und wird dafür erbitterten Widerstand erhalten“, kündigte Betriebsratschef Achim Dietrich an. Die Ankündigung schüre Ängste, „wo wir eigentlich den vollen Einsatz für die Belieferung der Kunden, der Bewältigung der Rezession und der Transformation brauchen“.
ZF-Automatikgetriebe zählen zu den besten der Welt
ZF, gegründet als „Zahnradfabrik Friedrichshafen“, ist mit dem Getriebebau groß geworden. Bis heute zählen vor allem ZF-Automatikgetriebe zu den besten der Welt. In Elektroautos werden sie allerdings nur in deutlich einfacherer Form oder gar nicht gebraucht. Bei anderen mechanischen Teilen ist in den vergangenen Jahren der Kostendruck massiv gestiegen.
Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige
Auf die Umwälzungen im Automarkt hat der Konzern mit massiver Expansion reagiert. 2015 wurde mit dem US-Konzern TRW fehlendes Know-how für Elektronik und Elektroantrieb eingekauft. 2020 Wabco übernommen, den weltgrößten Spezialisten für Bremsen und Fahrwerkstechnik in Nutzfahrzeugen. Das katapultierte ZF in kürzester Zeit aus der zweiten Reihe in die Weltspitze der Autozulieferer. Nach Rechnung des Fachblatts „Automobilproduktion“ ist der Konzern beim Umsatz weltweit die Nummer Vier hinter Bosch, dem chinesischen Batteriehersteller CATL und dem japanischen Denso-Konzern.
Das Logo der ZF steht in einem ZF-Werk auf einem Getriebegehäuse: Die Automatikgetriebe der Firma zählen zu den besten der Welt.
Quelle: picture alliance / dpa
10 Milliarden Euro Schulden: Die Zinsen fressen den ZF-Gewinn auf
Heute macht ZF jährlich knapp 47 Milliarden Euro Umsatz, hat weltweit rund 170.000 Beschäftigte – und mehr als 10 Milliarden Euro Schulden. Der jüngste Zinsanstieg hat im vergangenen Jahr bereits einen großen Teil des Gewinns aufgefressen, für die in der nächsten Woche fällige Halbjahresbilanz wird Schlimmes befürchtet.
ZF ist ähnlich wie der Konkurrent Bosch ein Stiftungsunternehmen. Mehr als 90 Prozent der Anteile gehören der Zeppelin-Stiftung, die von der Stadt Friedrichshafen kontrolliert wird. So wurde für die Friedrichshafener Konzernzentale mit knapp 5000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern jüngst erst eine Beschäftigungssicherung bis Mitte 2028 vereinbart.
Auch an den anderen Standorten will man „soweit möglich sozialverträglich“ ans Ziel kommen, „auch Abfindungsprogramme sind denkbar“. Holger Klein, Vorstandschef seit Anfang 2023, hat jüngst im „Manager Magazin“ erklärt, dass durch Fluktuation und Verrentung schätzungsweise 12.000 Beschäftigte das Unternehmen bis zum Ende des Jahrzehnts verlassen könnten. Nun sollen es möglichst mehr und früher sein.
Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige
Wird die Airbagsparte verkauft?
Der größte Hebel ist dabei die Zusammenlegung von Standorten. Durch die Zukäufe habe ZF eine „bis heute noch kleinteilige Standortstruktur“. Deren Zukunft ist im Konzern schon lange Thema, 2020 wurde für den Umbau ein eigener „Tarifvertrag Transformation“ geschlossen. Geplant ist außerdem der Verkauf der großen Airbagsparte, um mit dem Erlös die Schulden zu senken.
Mit seiner Strategie „Stärken stärken“ will sich ZF künftig auf vier Sparten konzentrieren: Lkw-Technik und die Pkw-Fahrwerkstechnik sind gesetzt. Hinzu kommen das Servicegeschäft und die Industrietechnik, wo zum Beispiel Getriebe für Windkraftanlagen entstehen.
Die mit großen Ambitionen ausgebaute Sparte für Elektroantriebe steht dagegen im „besonderen Fokus der Neustrukturierung“. Klein betont zwar, dass der Elektromobilität die Zukunft gehöre. „Wir sind hier in Vorleistung gegangen und werden in diesen Bereich auch weiterhin stark investieren.“ Angesichts der schwierigen Lage in diesem Geschäft sei aber „Offenheit für Kooperationen und starke Partnerschaften“ nötig.
Die enttäuschende Nachfrage nach Elektroautos bringt viele Zulieferer noch mehr in die Bredouille als die Hersteller. Denn diese ziehe nun ihre Aufträge aus ambitionierteren Tagen zurück, die „Abrufe“ schrumpfen, wie das in der Zulieferung heißt: Der Kunde nimmt weniger ab als geplant. „Wir sehen, dass eine rein durch Regulierung getriebene Transformation nicht funktioniert, wenn zu wenige Kunden die Produkte haben wollen“, sagte Klein jüngst in einem Interview.