Dormakaba lagert Jobs in Billiglohnländer aus – der Abbau trifft auch die Schweiz hart

Dormakaba lagert Jobs in Billiglohnländer aus – der Abbau trifft auch die Schweiz hart

Die Zentrale des Zürcher Schliesstechnik-Konzerns Dormakaba in Rümlang wird stark verkleinert. Noch mehr Arbeitsplätze fallen in Deutschland weg.

In Wetzikon fertigt Dormakaba Schlüsselrohlinge. Die Fabrik bleibt trotz einem harten Stellenabbau in der Schweiz bestehen.

Christian Beutler / Keystone

Fusionen sind eine riskante Angelegenheit, und der Zusammenschluss der beiden Schliesstechnik-Spezialisten Dorma und Kaba ist das beste Beispiel dafür. Selbst nach über neun Jahren seit der Ankündigung der damaligen schweizerisch-deutschen Elefantenhochzeit ist beim Konzern nicht zusammengewachsen, was zusammengehört.

Zu viele Doppelspurigkeiten

Dormakaba weise weiterhin zu viele Doppelspurigkeiten auf, die dezentral ausgerichtete Struktur des Unternehmens sei zu komplex, konstatierte Till Reuter, der neue Konzernchef, an der Bilanzmedienkonferenz am Dienstag. Die Firma mit Sitz in Rümlang sieht nun harte Einschnitte sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland vor.

So sollen in der Schweiz, wo per 30. Juni 2024 noch 913 Mitarbeitende beschäftigt waren, 180 Arbeitsplätze abgebaut werden. Die Restrukturierung, deren Ausmass bereits im vergangenen Oktober durchgesickert war, betrifft vor allem Funktionen innerhalb der Firmenzentrale wie das Personalwesen, die IT und die Buchhaltung, aber auch den Vertrieb.

Verlagerungen in Billiglohnländer

In Deutschland plant das Unternehmen laut einer Vereinbarung mit den Sozialpartnern, die Ende April abgeschlossen wurde, die Streichung von bis zu 406 Vollzeitstellen. Die Fabrik im nordrhein-westfälischen Velbert soll geschlossen, die Produktion in das bestehende Werk in Bad Berka verlagert werden. Mitte dieses Jahres zählte Dormakaba in Deutschland noch knapp 2800 Beschäftigte.

Viele der nun beschlossenen Personalmassnahmen stehen im Zusammenhang mit der Verlagerung von administrativen Tätigkeiten aus Hochlohnländern in drei Shared-Service-Zentren, die das Unternehmen in Mexiko, Bulgarien und Indien aufgebaut hat. Für die Arbeit an diesen Standorten wurden bereits 250 Mitarbeitende rekrutiert. Auf der Verliererseite stehen ausser Mitarbeitende in der Schweiz und in Deutschland auch Beschäftigte in Österreich, den USA und Singapur.

Wofür steht das Unternehmen?

Reuter, der seinen Posten als Konzernchef Anfang dieses Jahres antrat, ist der dritte Manager in dreieinhalb Jahren, der an der Spitze von Dormakaba das Steuer herumzureissen versucht. An der Telefonkonferenz sagte er nicht nur mehrfach, dass das Unternehmen schlanker werden müsse. Er erwähnte auch, dass der Konzern an seiner Kultur arbeiten müsse. Offenbar wissen viele Mitarbeitende und Kunden immer noch nicht so recht, wofür Dormakaba steht.

Till Reuter, Konzernchef von Dormakaba.

Till Reuter, Konzernchef von Dormakaba.

PD

Im zurückliegenden Geschäftsjahr (per Ende Juni 2024) schlug sich Dormakaba trotzdem passabel. Der Umsatz stagnierte zwar wegen der Abschwächung diverser Fremdwährungen bei 2,8 Milliarden Franken, doch bereinigt um Wechselkursveränderungen resultierte ein organisches Wachstum von knapp 5 Prozent. «Damit sind wir stärker gewachsen als andere Spieler im Markt», sagte Reuter.

Zugleich schrumpfte das Betriebsergebnis (Ebit) aber wegen hoher Sonderaufwendungen und Wertberichtigungen um 13 Prozent auf 165 Millionen Franken. Die Ebit-Marge fiel von 6,6 auf 5,8 Prozent. Im Jahr 2015, als die Fusion bekanntgegeben worden war, hatte sie beim Zürcher Vorgängerunternehmen Kaba noch über 13 Prozent betragen.

Hauptkonkurrent Assa Abloy ist viel leistungsstärker

Erst recht auf einem dürftigen Niveau liegt die Profitabilität von Dormakaba, wenn man die Leistung des Marktführers Assa Abloy betrachtet. Dieser erwirtschaftete im ersten Semester dieses Jahres eine Ebit-Marge von knapp 16 Prozent.

Mit umgerechnet 11,6 Milliarden Franken weist Assa Abloy zudem mehr als viermal so viel Umsatz aus wie Dormakaba. Anders als sein Schweizer Konkurrent hat das schwedische Unternehmen in den vergangenen Jahren laufend durch Akquisitionen an Gewicht gewonnen. Erst vor gut einem Monat wurde bekannt, dass Assa Abloy die Tochterfirma Skidata des Westschweizer Technologieunternehmens Kudelski für 340 Millionen Euro übernimmt.

Dormakaba hingegen war wegen der vielen Managementwechsel und der vielen offenen Baustellen im Zusammenhang mit der Fusion in den letzten Jahren weitgehend mit sich selbst beschäftigt. Dem Konzern fehlten die Zeit und die Kraft, um wie Assa Abloy einen Konkurrenten nach dem anderen zu schlucken.

Die falschen Ziele ausgewählt

Bei den wenigen Transaktionen, die Dormakaba gleichwohl durchführte, habe man wiederholt «keine glückliche Hand» bewiesen, räumte Reuter ein. Sprich: Es wurden falsche Ziele gesetzt, und auch bei der Integration der neuen Geschäftseinheiten lief manches schief. Künftig wolle aber auch Dormakaba wieder durch Zukäufe wachsen, betonte der Konzernchef mehrmals.

Dabei hat das Unternehmen allerdings auch keine andere Wahl. Noch ist das Geschäft mit Türschlössern sowie mit Zutrittssystemen unter anderem für Flughäfen, Bürogebäude oder Sportstadien in vielen Ländern stark fragmentiert. «Der Markt wird sich weiter konsolidieren müssen», so ist Reuter überzeugt.

Um den Abstand zu Assa Abloy und der Nummer zwei in der Branche, dem irischen Konzern Allegion, nicht weiter anwachsen zu lassen, steht Dormakaba vor allem in den USA unter Handlungsdruck. Man habe dort Marktanteile verloren, sagte Reuter offen. Die USA gelten gleichzeitig als der profitabelste Markt im Bereich der Schliesstechnik.

Anleger zeigten sich am Dienstag erfreut über die Verschlankung, die Dormakaba nun durchziehen will. Der Aktienkurs des Unternehmens stieg am Dienstag bis zum Nachmittag um über 6 Prozent auf 569 Franken.

Analysten der Bank Vontobel weisen allerdings darauf hin, dass es nach wie vor zahlreiche Herausforderungen auf dem Weg zu Besserung gebe. Auch sei der Schrumpfprozess mit weiteren hohen Aufwendungen verbunden. Auf Stufe Betriebs-Cashflow wird die Restrukturierung laut Berechnungen der Analysten im laufenden Geschäftsjahr voraussichtlich über 90 Millionen Franken kosten. In der zurückliegenden Periode mussten dafür bereits 124 Millionen Franken ausgegeben werden.

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