Deutschland als Gründungsstandort? So schlecht waren die Bewertungen noch nie – auch das Interesse am Gründen geht laut der IHK zurück. Das sind die Gründe.
Laut IHK ist das Interesse an Unternehmensgründungen 2024 weiter gesunken. Im Vergleich zum Vorjahr seien die IHK-Einstiegsgespräche, die Erstinformationen zur Selbstständigkeit vermitteln und deshalb „ein guter Seismograf für Gründungsinteresse“ sind, um sechs Prozent zurückgegangen. Interessanterweise ist dieser Rückgang nicht durch den demographischen Wandel erklärbar. Denn die Anzahl junger Erwachsener im Alter zwischen 18 und 34 Jahren, die potenziell gründungsbereit sind, ist in den letzten Jahren sogar gestiegen. Als Hauptgründe für das sinkende Gründungsinteresse nennt die IHK den zurückhaltenden Konsum, eine zu hohe Dichte an Regelungen, Unsicherheiten im wirtschaftlichen Umfeld und den Fachkräftemangel. Immerhin ein positives Zeichen: Die Nachfrage nach Gründungsberatungen hat sich im Vergleich zum Vorjahr um 17 Prozent erhöht.
Erstgespräche steigen: Ein Hoffnungsschimmer?
Die IHK bietet für alle Startup-Gründer Gründungsberatungen an. Dass das Interesse an Gründungsberatungen gestiegen sei, vermutet die Industrie- und Handelskammer jedoch keineswegs aufgrund von verbesserten Rahmenbedingungen für Gründungen. Stattdessen lege es an „einer Mischung aus Nachholeffekten“, beispielsweise einem vermehrten Gründungsinteresse in Gastronomie und Dienstleistungsbranchen Post-Covid. Außerdem beflügele ein neues Gesetz das Interesse. Seit dem 1. Januar 2023 müssen die Agenturen für Arbeit nicht mehr prüfen, ob eine arbeitslose Person in eine reguläre Beschäftigung vermittelt werden kann. Davor wurde erst nach dieser Überprüfung eine Unterstützung für eine Existenzgründung gewährt. Diese Änderung führte zu einem Anstieg der, von den IHK angebotenen Beratungen rund um Arbeitsagenturen, wie beispielsweise dem Gründungszuschuss, von 837 auf insgesamt 4.130.
Wirtschaftsstandort Deutschland? Note: „ausreichend“
Auch die Bewertung von Deutschland als Wirtschaftsstandort ist schlechter denn je. In einer Online-Umfrage zum Thema Verbesserungen des Gründungsstandortes Deutschland erfasste die IHK im Januar und Februar 2024 die Antworten von über 950 Gründern. Das Ergebnis: Eine 3,6 – Note „ausreichend“. Im Vergleich zum Vorjahr hat sich die Bewertung von „befriedigend“ (3,4) zu „ausreichend“ (3,6) verschlechtert. Im Schulkontext hieße dies: „Die Leistungen entsprechen den Anforderungen im Allgemeinen“.
Wirklich rosig klingt das nicht. Doch woran liegt das? Die IHK hat in ihrem Fragebogen verschiedene Faktoren, die zur Verbesserung von Deutschland als Startup-Standort führen könnten, zur Auswahl gestellt. So zum Beispiel: Schnellere und einfachere Regularien, bessere IT-Infrastruktur/Breitband, einfacherer Zugang zu öffentlichen Fördermitteln, besserer Zugang zu gut qualifizierten Fachkräften oder eine bessere Vernetzung mit etablierten Unternehmen und anderen Gründern.
72 Prozent der befragten Gründer gaben an, dass sie sich schnellere und einfachere Regularien wünschen. Weniger Bürokratie also. Die DIHK schlägt deshalb neun Ideen zum Abbau der Bürokratie in Deutschland vor. Unter anderem: Eine zentrale Meldestelle, um das mehrfache Angeben ähnlicher oder gleicher Daten bei unterschiedlichen Behörden zu verringern und so den Gründungsprozess zu beschleunigen. Ginge es nach den Befragten, sollte auch das Steuerrecht vereinfacht werden. Das gaben ganze 65 Prozent an. Eine bessere Vernetzung mit anderen Gründern oder etablierten Unternehmen wünschen sich hingegen nur sechs bis acht Prozent. Im Mittelfeld, mit 20 bis 30 Prozent aller Stimmangaben, lagen Forderungen nach einem einfacheren Zugang zu öffentlichen Fördermitteln (30 Prozent), geringeren Energiesparpreisen (28 Prozent), mehr Verständnis für Unternehmertum in der Gesellschaft (26 Prozent) und einer bessere IT-Infrastruktur (21 Prozent).
Weitere Erkenntnisse: Beliebte Gründer-Branchen und Anteil an weiblichen Gründerinnen steigt
Der Großteil der Teilnehmenden an IHK-Gründungsberatungen plant Gründungen im Handel, in Dienstleistungen oder im Gastgewerbe. Zusammengenommen wollen 70 Prozent in diesen drei Bereichen gründen. In der Informations- und Kommunikationstechnologie sind es lediglich sieben Prozent. Und in den, wie es im IHK-Bericht heißt, „vergleichsweise kapitalintensiven Industriebranchen“ sogar nur fünf Prozent. Das geringste Gründungsinteresse liegt im Finanzwirtschaftssektor mit nur drei Prozent. Die Gründungs-Motivation liegt laut IHK häufig in unternehmerischer Berufung, aber auch in mangelnden Erwerbsalternativen. Die schwächere Entwicklung am Arbeitsmarkt führe ebenfalls dazu, dass mehr Menschen über eine Selbstständigkeit nachdenken. In den letzten 20 Jahren zeigte sich außerdem, dass das Gründungsinteresse stark von der Arbeitsmarktlage und der Verfügbarkeit von Fachkräften abhängt.
Außerdem sei der Frauen-Anteil in Gründungsberatungen 2023 von 40 auf 43 Prozent gestiegen und habe damit einen neuen Rekordwert erreicht. Vor 20 Jahren waren es nur 31 Prozent gewesen.
Undurchdachte Finanzierung – Planung auch weiterhin eine Herausforderung für Gründer
Eine weitere Erkenntnis: Finanzierungsfragen nehmen in den IHK-Gründungsberatungen weiterhin eine große Rolle ein. „Die Finanzierungszugänge sind angesichts gestiegener Zinsen vielfach schwieriger geworden“, heißt es in dem Bericht. Hinzu komme, dass viele Gründer die Finanzierung nicht ausreichend planen. Bei 41 Prozent sei die Finanzierung nicht ordentlich genug durchdacht worden, 33 Prozent haben kaufmännische Defizite und rund 32 Prozent überschätzen den zukünftigen Umsatz. Die Produktidee können die meisten Gründer hingegen gut beschreiben. Hier hapere es lediglich bei rund 20 Prozent.
Zusammengefasst zeigt der DIHK-Report ein durchwachsenes Bild des Gründungsstandorts Deutschland. Die DIHK betont in ihrem Bericht die Notwendigkeit, bestehende Hemmnisse abzubauen und den Gründungsprozess durch digitale Angebote und vereinfachte Verwaltungsverfahren zu erleichtern. Trotzdem gebe es auch Anzeichen für positive Entwicklungen, die Hoffnung auf eine dynamischere Zukunft machen.