1,4 Milliarden Menschen leben in Indien. Viele sind jung und drängen auf den Arbeitsmarkt. Wie man Deutschland für sie attraktiver machen kann, darum geht es in der Fachkräfte-Strategie für Indien, die das Kabinett heute beschlossen hat.
Hubertus Heil hat sich extra ein Trikot übergezogen – über das weiße Hemd. Der Arbeitsminister hat Mühe, mit dem Schläger den Ball zu treffen. Der Jubel ist groß, als es ihm nach ein paar Versuchen gelingt. In Berlin steht Hubertus Heil auf dem Cricket-Feld – gemeinsam mit dem indischen Botschafter, der versucht, dem deutschen Minister die Regeln zu erklären. Es gehe darum, den Ball treffen, und sei ein bisschen wie Fußball – dann wird es kompliziert. Hubertus Heil nickt tapfer.
Doch der Arbeitsminister strebt keine Karriere auf dem Cricket-Feld an. Ihm geht es um die Bilder und die Botschaft: Deutschland braucht Fachkräfte aus Indien. “Wir haben ein paar Nachteile, die müssen wir ausgleichen”, sagt Heil. Die deutsche Sprache sei nicht so verbreitet wie das Englische auf der Welt. Und das Wetter nicht so wie in südlichen Gefilden. “Aber wir sind ein stabiles Land. Das betrifft aber auch soziale Sicherheit – zum Beispiel, dass es hier Krankenversicherungen gibt.”
Weniger Bürokratie, schnellere Anerkennung
Nachteile ausgleichen heißt attraktiv werden. Und wie das geschehen kann, steht in einem Strategie-Papier, das die Bundesregierung heute beschlossen hat. Ein großes Thema: weniger Bürokratie. Visa sollen nicht mehr Monate brauchen, sondern Wochen und digital erteilt werden. Berufsabschlüsse sollen außerdem einfacher anerkannt werden.
Und – so sagt es der Minister – es sei wichtig, “dass wir als Gesellschaft begreifen. Wir wollen nicht nur Arbeitskräfte, es kommen Menschen, die müssen sich hier wohlfühlen, damit sie auch bleiben.”
Indische Influencerin wirbt für Deutschland
137.000 Inderinnen und Inder arbeiten in Deutschland und zahlen Sozialbeiträge. Eine, die vor sieben Jahren schon kam, ist Komal Gaikwad. Und heute ist sie eine der wichtigsten Verbündeten des Arbeitsministers. Auf Instagram spricht sie mit Hubertus Heil, als der gerade durch Indien reist. “Hello – Minister! Hi, Namasté!”
In den sozialen Medien erklärt Komal Gaikwad, was einen so erwartet – als indische Fachkraft in Deutschland. Sie spricht auf Hindi, doch ein deutsches Wort ragt heraus: “Chancenkarte”. Komal Gaikwad rast in ihren Videos durch die deutsche Bürokratie. Spricht über Krankenversicherung und Mindestlohn. Natürlich steht sie auch in Berlin am Rande des Cricket-Feldes und gibt einen Rat. “Es ist wirklich wichtig, die deutsche Sprache zu lernen – allein schon, um mit den Kollegen zu sprechen oder einzukaufen.”
Sprache als Hindernis
Sie selbst hat sich ein halbes Jahr gegeben, um die wichtigsten Vokabeln zu lernen. Dabei braucht sie das in der IT-Branche gar nicht unbedingt. Hier wird auch Englisch gesprochen. Anders ist das in den Pflegeheimen. Ohne Sprachkenntnisse geht es hier nicht. Und deswegen will Deutschland schon in Indien mehr Sprachkurse anbieten. Auch wenn Deutsch mindestens so schwer ist wie die Cricket-Regeln.
Grundsätzlich ist es eine gute Idee, in Indien um Fachkräfte zu werben, sagt auch die Union. CDU-Arbeitsmarktpolitiker Marc Biadacz fordert aber mehr. Nötig sei Wohnraum. Und: “Wir brauchen Kita-Plätze, und da merke ich: Auch hier ist die Bundesregierung einfach zu langsam. Und da kommen wir zu wenig Impulse.”
Und dann ist da noch die Frage: Wie willkommen sind die Fachkräfte aus Indien? Im Moment wird in Deutschland viel über Migration diskutiert und eher über Abschiebungen als über Zuwanderung gesprochen. Das kann im Ausland nicht immer als Einladung verstanden werden.
Wichtig sei es, hier klar zwischen Asyl und Arbeitsmigration zu unterscheiden, sagt CDU-Politiker Biadacz. Es gehe darum, Menschen mit Talenten nach Deutschland zu holen. “Wir müssen uns vielmehr darauf fokussieren, dass wir genau die richtigen Menschen finden, die wir für den deutschen Arbeitsmarkt brauchen.”
Zuwanderung wohl alternativlos
Geht es nach der Union, muss Deutschland auch im eigenen Land nach Arbeitskräften suchen. Das heißt, Menschen zu qualifizieren. Doch ohne Zuwanderung wird es nicht gehen. Das sagt auch Arbeitsminister Hubertus Heil: “Denn klar ist, wir müssen weltoffen sein, was diese Frage betrifft. Das ist in unserem Interesse.”
Am Ende des Tages hat Heil ein bisschen mehr verstanden, wie Cricket funktioniert. Noch ist es ein Sport, der in Deutschland kaum zu sehen ist. Doch das soll sich ändern – hofft die Bundesregierung.