Bis das Sonntagsbrötchen knusprig auf dem Teller liegt, hat es einen Weg voller Vorschriften, Verordnungen und Kontrollpflichten hinter sich. Der Frust bei Betrieben, Bürgern, aber auch vielen Behörden über das selbst geschaffene Monster Bürokratie ist groß.
Ein Artikel von HÖRZU Reporter Kai Riedemann
Können Sie mir das Eis zum Mitnehmen einpacken?“ Kein Problem. Von wegen! Sofort greift das Verpackungsgesetz (VerpackG). Und das sieht so aus: Wenn ein Café Speiseeis in vorlizenziertes Umschlagpapier wickelt und dann zusätzlich zum Isolieren in eine alte Tageszeitung, muss die Zeitung als Verpackung registriert werden. Absurd, aber Alltag in Deutschland.
Eine NDR-Dokumentation “Die Brötchen-Bürokratie” (Mo, 8. April, 2015 Uhr im NDR) zeigt den Bürokratie-Irrsinn am Beispiel von Cafés und Bäckereien. Dort fressen über 100 Verordnungen und Auflagen Arbeitszeit. Das reicht von der Gefahrenanalyse für schwangere und stillende Frauen an Arbeitsplätzen, die nur von Männern besetzt sind (§ 10 Absatz 1 MuSchG), bis zur täglichen Unterschrift unter den Nachweis, dass die Brotbackmaschine gereinigt wurde. Mittlerweile muss 19% 19% 19% 7% sich ein unabhängiges Beratungsgremium um solche Probleme kümmern.
Der Nationale Normenkontrollrat (NKR) prüft seit 2011 etwa die Folgekosten aller Gesetzesund Verordnungsentwürfe. „Noch nie waren die Regulierungskosten so hoch wie heute“, mahnt Lutz Goebel, Vorsitzender des NKR. „Noch nie gab es so viele Aufschreie, Warnungen und Brandbriefe – alle mit derselben Botschaft: Aus einer Belastung durch Regularien und Bürokratie ist eine Überlastung geworden.“
Am 1. Januar 2014 galten 4391 Gesetze und Verordnungen mit insgesamt 82.408 Einzelnormen, zehn Jahre später sind es bereits 4646 Gesetze und Verordnungen mit 96.427 Einzelnormen. Das alles kostet Zeit und Geld. Dauerhafter „Erfüllungsaufwand“ heißt das in der Fachsprache. „Gegenüber den Vorjahren sind die Belastungen von Unternehmen, Behörden und Bürgern um 9,3 Milliarden Euro pro Jahr und einmalig um 23,7 Milliarden Euro gestiegen“, lautet das Fazit im aktuellen Jahresbericht der Bundesregierung.
Wie verwirrend viele Regelungen sind, zeigt das Beispiel Mehrwertsteuer. Ein belegtes Brötchen? Kauft der Kunde es in der Bäckerei zum Mitnehmen, sind sieben Prozent Mehrwertsteuer fällig. Setzt er sich dort auf einen Stuhl, müssen es 19 Prozent sein. Noch komplizierter wird es beim Kaffee (siehe unten). Wenn beim Backen Eierschalen anfallen, könnten die als Tierfutter dienen. Ist aber nicht erlaubt. Dafür braucht die Bäckerei eine Registrierung als Futtermittelhersteller. Von solchen Regelungen sind alle Berufe betroffen. Es gibt sogar Vorschriften für die Höhe von Treppengeländern: in Wohnhäusern 90 Zentimeter für eine Absturzhöhe von bis zu zwölf Metern, bei Arbeitsstätten 100 Zentimeter.
Vorsicht, Wortmonster!
Oft sorgen schon die Namen der Verordnungen für Kopfschmerzen. Schornsteinfeger stöhnen über die Mittelfristenenergieversorgungssicherungsmaßnahmenverordnung, kurz EnSimiMaV, Geschäfte kämpfen mit der Lebensmittelinformations-Durchführungsverordnung, kurz LMIDV. Nordrhein-Westfalen hat jetzt die Aktion „Bürokratie am Bau? Ciao!“ gestartet. Dort können überflüssige Bauvorschriften in einem Meldeportal angeprangert werden. Das Bauministerium prüft die Vorschläge und übergibt sie an die Baukostensenkungskommission. Klingt ganz unbürokratisch.