Jeder fünfte junge Mensch weltweit hat keinen Job und ist auch nicht in Ausbildung. Anders als im deutschsprachigen Raum schrammen die Bildungssysteme häufiger an den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes vorbei. Die Folge: Qualifizierte Tourismusexperten landen im Service.
Jugendarbeitslosigkeit, so scheint es, das war einmal. Zumindest auf dem hiesigen Arbeitsmarkt sind junge Leute Mangelware und gefragt. Viele Firmen werben um die jungen Arbeitnehmenden und versuchen sie mit allerlei Zückerchen für sich zu gewinnen.
Für die Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist das gut – sie geniessen bei der Gestaltung ihres Lebens und ihrer Karrieren Freiräume. Doch selbstverständlich ist das keineswegs. Weltweit hat jeder fünfte junge Mensch im Alter von 15 bis 24 Jahren keinen Job, ist nicht in Ausbildung oder besucht auch keine Weiterbildung. Das geht aus einem Bericht der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) hervor.
Junge werden später finanziell flügge
Dass das Potenzial des Nachwuchses nicht ausgeschöpft wird, ist ernüchternd. Junge Menschen, die arbeitslos sind oder sich mit Gelegenheitsjobs durchschlagen müssen, können keine solide, eigenständige Existenz aufbauen.
So gaben etwa 2021 in den USA 64 Prozent der jungen Erwachsenen im Alter von 25 Jahren an, finanziell unabhängig von ihren Eltern zu sein, verglichen mit 73 Prozent im Jahr 1980. Die Jungen werden somit erst später finanziell flügge.
Grosse Probleme zeigen sich auch in den Mittelmeerländern. In Spanien waren gemäss Angaben von Statista im Juni 2024 25,9 Prozent der 15- bis 24-Jährigen arbeitslos, in Griechenland waren es 22,5 und in Italien 20,5 Prozent.
Die Jugendlichen hätten noch wenig Berufserfahrung, müssten aber aufgrund von gewerkschaftlich ausgehandelten Gesamtarbeitsverträgen dennoch oft verhältnismässig gut bezahlt werden, sagt Josef Zweimüller, Professor für Arbeitsmarktökonomie an der Universität Zürich. Das hält Arbeitgeber davon ab, Jugendliche einzustellen, oder sie unterbreiten ihnen nur befristete Arbeitsverträge.
Zwar saugt der Sommertourismus in diesen Ländern viele Arbeitskräfte auf. Wer junge, schnelle Beine hat, wird gern genommen. Doch wenn die Feriengäste in ihre Heimatländer zurückkehren, werden auch die vielen Rezeptionisten, Kellnerinnen und Putzkräfte nicht mehr gebraucht.
Ein schlechter Berufsstart hinterlässt Narben
Grundsätzlich seien Jugendliche auf dem Arbeitsmarkt eine vulnerable Gruppe, so Zweimüller. Der Ökonom hält es für ausserordentlich wichtig, dass die Jugendlichen gut in den Arbeitsmarkt integriert werden. «Ein guter Start ist die Basis für ein erfolgreiches Berufsleben.» Umgekehrt zeigen Untersuchungen, dass ein schlechter Start schnell zu einer Narbe wird, die sich durch die ganze Karriere zieht und diese belastet. Häufig blieben finanzielle Spätfolgen.
Als Schlüssel zum Ziel gilt unter Ökonomen eine gute Berufs- beziehungsweise Fachausbildung. Doch genau daran hapert es in vielen Ländern. Häufig beschränkt sich die Ausbildung auf ein schlichtes Anlernen der betrieblichen Handgriffe, oder es gibt schulische Ausbildungen, denen aber der Praxisbezug fehlt. Das ist ein grundsätzlicher Nachteil gegenüber der Schweiz, Deutschland und Österreich, wo das duale Berufsbildungssystem gesellschaftlich fest verankert ist.
Zwar haben einige Länder punktuell versucht, das System zu imitieren. Flächendeckend hat das ausserhalb des deutschsprachigen Raums jedoch nicht geklappt. Dabei beisst sich die Katze selbst in den Schwanz. Je weniger Betriebe Lehren anbieten, desto mehr müssen die Firmen damit rechnen, dass die Konkurrenz die aufwendig ausgebildeten Arbeitskräfte mit höheren Löhnen abwirbt, sobald sie ihre Diplome in der Tasche haben. Zweimüller vermutet zudem, dass die Gewerkschaften in Ländern, wo Berufslehren nicht verbreitet sind, tiefe Löhne für Auszubildende schnell als Lohndumping kritisieren würden.
Manche gut Qualifizierten landen im Service
Der Vergleich mit anderen Ländern zeigt es deutlich: Damit Jugendliche und junge Erwachsene einen guten Platz in der Arbeitswelt finden, ist das Bildungs- und Ausbildungssystem zentral. Es muss zudem den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes entsprechen.
Sonst kommt es zu Fällen, die in den Mittelmeerländern immer wieder beobachtet werden: Weil der Tourismus vor der Haustüre liegt und der Wirtschaftszweig eine wichtige Rolle spielt, machen ambitionierte junge Menschen akademische Ausbildungen im Tourismus. Die Internationale Arbeitsorganisation stellt grundsätzlich fest, dass in den Ländern mit mittlerem Einkommen die Zahl der ausgebildeten Jugendlichen das Angebot an Arbeitsplätzen für Hochqualifizierte übersteigt.
Da Hotelmanager und Reiseprofis aber nur in beschränkter Zahl gebraucht werden, findet manch ein gut Qualifizierter am Ende dennoch nur im Service eine Stelle. Weder ist das wirtschaftlich für die Betroffenen befriedigend, noch ist es effizient für die Volkswirtschaft, die unter Umständen viel in die Bildung investiert hat und nur wenig über die Steuern zurückbekommt.