Mit 69:73 verlieren die deutschen Basketballer ein hitziges und umkämpftes Halbfinale gegen Frankreich. Harte Defensive der Gastgeber führt zu einer durchwachsenen Offensivleistung. Was bleibt, ist die Chance auf die Bronzemedaille am Samstag.
Dennis Schröder hatte sie erwartet, sich regelrecht auf sie gefreut: Die Pfiffe waren laut, als der deutsche Kapitän am Donnerstag auf das Parkett der Bercy Arena gejoggt kam. Klar, auch seine Teamkollegen hatten sie sich anhören müssen, – aber Schröder brachte die ohnehin stimmungsvollen Franzosen zusätzlich in Wallungen.
Seine Sticheleien im Gruppenspiel, seine Dominanz, die Dominanz der Deutschen als Ganzes – all das hatte vor sechs Tagen Eindruck hinterlassen. Mehr noch: Die Franzosen hatten ihre Spieler ausgepfiffen, NBA-Star Evan Fournier hatte sich mit seinem Trainer angelegt. Aber am Donnerstag war ein neuer Tag, ein neues Spiel. Mit dem Finale vor Augen waren die Franzosen wieder vereint – und laut.
Nächster Traumstart für Deutschland
Dennis Schröder aber mag es laut, die deutsche Mannschaft mag es laut. Zum Start attackierte Franz Wagner den französischen Riesen Victor Wembanyama, vielleicht mit Respekt, aber ohne Angst. Schröder legte nach – erst per Drive, dann per Dreier. Franz Wagner streute ins Gesicht von seinem Gegenspieler ebenfalls einen ein. Nach nicht einmal drei Minuten führte Deutschland mit 12:2. Wagner brachte seine Muskeln flexend auf Spannung, im Hintergrund ertönte die Sirene zur französischen Auszeit.
Diesmal allerdings hatte Frankreich Antworten, fand ins Spiel, ehe Deutschland dieses komplett an sich reißen konnte. Fournier traf im Zurückfallen, Kraftpaket Mathias Lessort nach gutem Körpereinsatz, Isaia Cordinier per Dreier aus der Ecke. Nach sieben Minuten war Frankreich auf 16:18 dran. Diesmal war es Cordinier, der brüllend seine Oberarme präsentierte, während die deutschen Spieler hinter ihm zur Auszeit gen Bank trotteten.
Ohnehin war das Spiel ein ganz anderes als das der vergangenen Woche: ausgeglichener und intensiver, hakeliger und geprägt von guter Defensive. Nick Weiler-Babb legte die französischen Guards an die kurze Leine, Franz Wagner bewies seine manchmal vergessenen Defensivqualitäten, Deutschland rotierte gut. Frankreich allerdings auch.
Frankreich entschleunigt Deutschland
Die Gastgeber taten, wozu sie im Gruppenspiel noch nicht imstande waren: Sie ließen den deutschen Offensivfluss stocken. Nicht zuletzt entlang der Dreierlinie, wo sie Schröder, Wagner und vor allem auch Edelwerfer Andi Obst kontrolliert und Täuschungs-resistent in Schach hielten. Deutschland machte Fehler, die untypisch, oft auch unnötig waren.
“Die Franzosen haben viel umgestellt, mit einer ganz anderen Line-Up gespielt. Und es war natürlich klar, dass sie viel aggressiver herauskommen”, sagte Franz Wagner nach Spielende und ergänzte: “Sie waren sehr physisch und haben uns ein bisschen aus unserem Spiel herausbekommen.”
Unter dem Korb warf am Donnerstag über weite Strecken die Abwesenheit von Frankreichs – vielleicht verletztem, vielleicht aussortierten – Rudy Gobert Fragen auf. Schwer ins Gewicht fiel sie nicht. Hinten verhinderte Wembanyama das patentierte Alley-oop-Spiel von Schröder und Daniel Theis, vorne dunkte er krachend einfach über Letztgenannten hinweg zum 33:33-Halbzeitstand.
Frankreich zieht davon
In der zweiten Halbzeit wurde aus einer ausgeglichenen Partie ein französisches Spiel. Die Gastgeber übernahmen Stück für Stück endgültig die Kontrolle – offensiv wie defensiv. Vorne wühlte sich Real Madrids Guerschon Yabusele durch Deutschlands Defensive. Er dunkte erst wuchtig und war dann von keinem seiner Gegenspieler zu stoppen. Neun Punkte erzielte Yabusele innerhalb von zwei Minuten, während Johannes Voigtmann Deutschland im Spiel hielt.
Auch Dennis Schröder übernahm Verantwortung, trug zum noch akzeptablen 50:56 nach dem dritten Viertel bei. Aber schon da war lange deutlich, dass Frankreich defensiv exzellent eingestellt war. Moritz Wagner, Andi Obst, Johannes Thiemann – sie alle waren kaum ein Faktor. Franz Wagner kam nach sieben schnellen Punkten nicht mal mehr zu guten Würfen. Ganz anders die Franzosen: Angepeitscht und inspiriert von ihren frenetischen Fans, die Offensivlast vielschultrig verteilt, zogen sie davon, führten vier Minuten vor Schluss mit 69:60.
Die deutsche Resilienz reicht nur fast
Es war der ultimative Test für die so viel zitierte deutsche Resilienz. Die hatte die Mannschaft von Bundestrainer Gordon Herbert zuletzt zu so großen Erfolgen geführt. Auch am Donnerstag bewies sie sie erneut. Per Dreier verkürzte der aus der Distanz bis dato so unglückliche Franz Wagner knapp 40 Sekunden vor dem Ende auf 68:70.
Wembanyama wurde gefoult, traf aber nur einen Freiwurf. Es gab Hoffnung, die allerdings unerfüllt blieb. Auch weil Dennis Schröder im fünften Turnierspiel seinen ersten Freiwurf verwarf, konnte Frankreich den Sieg seinerseits an der Freiwurflinie perfekt machen.
Was der deutschen Mannschaft bleibt, ist das Spiel um die Bronzemedaille am Samstag. Dort trifft man nun auf den Verlierer des zweiten Halbfinales zwischen Serbien und den USA. “Wir haben alles gegeben, alles auf dem Parkett gelassen”, sagte Dennis Schröder und ergänzte: “Wir müssen jetzt den Kopf hochhalten, vor allem, weil wir immer noch die Chance haben, Bronze zu holen.”