Für sie: Express yourself
Seit Serena Williams die Tennisbühne verlassen hat, war es ein bisschen langweilig geworden auf den Centre-Courts dieser Welt. Sie trug ja Catsuits und manchmal Jacken mit Schleppen auf dem Weg auf den Platz, und man hielt ob des Überraschungseffekts jedes Mal den Atem an. Jetzt herrscht plötzlich wieder modische Aufregung, denn Naomi Osaka ist zurück. Nach ihrer Babypause stieg die ehemalige Nummer eins der Weltrangliste Anfang des Jahres wieder in die Tennistour ein, konnte aber bisher nicht an ihre Erfolge anknüpfen, weswegen sie sich in der Wildcard-Position wiederfindet – und das ist im Leben einer Frau bekanntlich immer die beste. Wenn nichts erwartet wird, kann man machen, was man will. Also betrat sie den Platz bei ihrem ersten Spiel der US Open in einem Wahnsinnsoutfit: eine riesige Schleife am Rücken, mehrere kleine an ihren Kopfhörern und ihren Schuhen, unter dem giftgrünen Rüschenrockteil des Kleids ein Tutu. Ihr Problem sei, nicht zu verlieren, hatte sie zuvor auf Instagram geschrieben, ihr Problem sei, sich nicht in ihrem Körper zu Hause zu fühlen. Selbstsicherheit muss man manchmal vortäuschen, und das geht nun mal mit nichts besser als mit dem, was man trägt. Die Designerin Yoon Ahn, die für Nike arbeitet, fragte die Tennisspielerin also, was sie gerade inspiriere, und die Antwort lautete: Lolita-Goth-Vibes, oder auch Harajuku. Tokio-Streetstyle also. Der beste Look im modischen Arsenal einer Frau ist der, der am lautesten schreit: Ich habe nichts zu verlieren! Osaka gewann.
Für ihn: Ball flach halten
Zu den vielen erstaunlichen Leistungen des Novak Djokovic gehört es, modisch seit zwanzig Jahren überhaupt nicht aufzufallen. Keine Exzentrik, keine Variation, keine Experimente – er geht seit jeher so brav angezogen auf den Platz, als wäre er ein Tennisschüler, der sich gerade bei Sport Wagner erstausgestattet hat. Gelegentlich lässt er statt Weiß einen Dress in Primärfarben zu, passend zu den Farben des jeweiligen Turniers, aber das war es auch schon an Kapriolen. Jenseits des Platzes ist er mit Jeans-Basics unterwegs oder mal einem sehr ordentlichen und völlig egalen Anzug, wenn eine Gala ansteht. Für seinen Dauerausstatter Lacoste dürfte diese stilistische Bedürfnislosigkeit Fluch und Segen zugleich sein – einerseits verkörpert Djokovic perfekt jenes klassisch-saubere Tennisideal, für das die Marke auch steht. Andererseits wäre, na ja, gelegentlich etwas mehr modische Kesselpauke sicherlich auch im Sinne des Marketings, ein derart unauffälliger Jahrhundertspieler, das gibt’s doch gar nicht! Das ist vielleicht das Seltsame an diesem Spitzensportler, dass er im Vergleich zu Rafael Nadal und Roger Federer immer irgendwie blass wirkt, so im ganzheitlichen Sinne. Nicht, dass die beiden anderen besonders modisch aufgefallen wären, aber sie verkörperten auf dem Höhepunkt ihres Erfolgs doch eine gewisse Lebensart und sportliche Grandezza. Djokovic hingegen macht mit seinem Outfit deutlich, dass Nüchternheit und Konsequenz ihn zum letzten Spieler der legendären Troika gemacht haben, der noch gewinnen kann. Saubere Socken und gebügeltes Shirt setzen sich eben am Ende immer durch.