Der neue Spielplan für die NFL-Saison 2024 ist veröffentlicht und der General Manager der NFL in Deutschland, Alexander Steinforth, freut sich besonders auf eine Paarung früh in der Saison. Ferner kündigt er eine Reihe positiver Entwicklungen für die nächste Zeit an.
Im Gespräch mit sport.de spricht Steinforth zudem über die Entwicklung der NFL in Deutschland und Europa, die Chancen auf weitere internationale Spiele und gibt einen frühen Super-Bowl-Tipp ab.
NFL: Deutschland-Chef Alexander Steinforth im Interview
Herr Steinforth, sind Sie mit der Spielauswahl der New York Giants gegen die Carolina Panthers in München zufrieden?
Alexander Steinforth: Wir sind extrem zufrieden. Für uns ist es natürlich immer toll zu sehen, wenn wir Teams vor Ort haben, die auch die Marketingrechte haben. Da sind die Giants in diesem Jahr dazugestoßen. Das heißt für uns immer, dass es Teams sind, die ein sehr großes Interesse am deutschen Markt haben oder gerade dabei sind, noch aktiver zu werden wie die Giants. Die Panthers sind ja schon seit zwei Jahren hier sehr präsent vor Ort. Die Giants an sich sind natürlich auch eine ikonische Marke und New York ist eine Stadt, die unglaublich spannend ist, wo es viele Geschichten gibt, die wir drumherum erzählen können. Insofern freuen wir uns alle sehr, dass wir da ein super zweites Team für unser Spiel in München verkünden konnten.
Auf welche Spiele freuen Sie sich denn persönlich am meisten in dieser Saison?
Steinforth: Für mich sind natürlichen die großen Highlights immer das Deutschland-Spiel und der Super Bowl. Aber wenn ich mir jetzt gerade die International Games anschaue, dann ist die Vorfreude besonders groß auf das erste Spiel in Brasilien, die Packers gegen die Eagles ist ein ganz spannendes Spiel. Das ist etwas, wo die Vorfreude dann noch ein Stückweit größer ist.
Stichwort Brasilien – Dort findet in diesem Jahr erstmals ein Spiel statt, im kommenden Jahr steht Madrid an. Meine Frage wäre jetzt, welche Märkte denn danach an der Reihe sein könnten.
Steinforth: Das ist ein Thema, das gerade intensiv innerhalb der NFL und NFL International diskutiert wird, wo es – ohne jetzt zu viel zu verraten – gerade viele Gespräche mit interessierten Ländern, Städten und Stadien gibt. Da wird es jetzt über den Sommer auch viele Reisen von Kolleginnen und Kollegen geben, um sich diese mal vor Ort anzuschauen. Europa ist für uns natürlich extrem wichtig und es ist schön zu sehen, nachdem wir ja den ersten großen Schritt nach Deutschland gemacht haben, dass jetzt auch Spanien dazu gekommen ist. Es gibt auch noch andere Länder, die schon Interesse signalisiert haben. Und für uns ist klar, dass wir auch über Europa hinaus noch stärker wachsen wollen. In Australien zum Beispiel haben wir jetzt nicht nur ein Büro, sondern auch die NFL Academy aufgemacht. Das ist ein spannender Markt wie der ganze asiatische Raum. Also insofern kann noch keiner verraten, welche Märkte und Städte dazu kommen werden, es ist aber klar, dass es noch weitere Städte geben wird, die sich unserer International Series anschließen werden. Vielleicht auch schon im nächsten Jahr.
Daran anschließend – und die Frage muss ich natürlich stellen: Wann gibt es denn offiziell das zweite Deutschland-Spiel im Jahr?
Steinforth: Wir sind ja mit dem Ziel in den Markt gestartet, dass wir vier Spiele über vier Jahre machen. Dann gab es im letzten Jahr die Ausnahmesituation, dass wir ein Spiel aus Mexiko geerbt haben, was wir dankend angenommen haben, weil da das Stadion für die Fußball-WM umgebaut worden ist. In diesem Jahr sind wir ganz normal im Rhythmus und freuen uns auf unser München-Spiel. Wir wissen aber auch, dass wir in Deutschland eine Nachfrage haben, dass wir mehr als ein, zwei oder auch drei Spiele ausverkaufen könnten. Am Ende ist das aber auch etwas, wo wir auf das Wachstum der NFL gesamtheitlich schauen und wo es für uns am meisten Sinn macht, Spiele auszutragen. Deswegen würde ich jetzt nicht sagen, dass es in Zukunft nicht vielleicht mal wieder der Fall sein kann, aber wir freuen uns jetzt erstmal in diesem Jahr auf ein Spiel in München.
Wenn diese vier Jahre dann 2025 rum sein werden, bleibt es dann bei München und Frankfurt oder kommen auch andere deutsche Städte infrage?
Steinforth: Wir haben jetzt in beiden Städten und Stadien Erfahrungen sammeln dürfen. Das war für uns erstmal sehr wichtig, denn wir sind ja in den Markt und in die Stadien hineingegangen, ohne genau zu wissen, wie es sein wird, dort NFL-Spiele auszutragen. Das hat mit dem Stadion aber auch mit erweiterten städtischen Faktoren zu tun. Und wir haben in beiden Städten extrem positive Erfahrungen gemacht. Die sammeln wir jetzt gerade beziehungsweise haben das schon getan und analysieren das aus Deutschland und mit unseren internationalen Kolleginnen und Kollegen. Ohne auch da zu viel zu verraten, gibt es auch hier andere Städte, die sich gemeldet haben und gesagt haben, was das für ein Wahnsinn ist, was da passiert, und was für ein Impact da auch vor Ort generiert werden kann, wenn wir auch – die Städte haben es ausgewertet – in München 70 Millionen Euro und in Frankfurt waren es glaube ich 110 Millionen Euro an ökonomischem Wert für die Städte über die Spiele schaffen können. Das sind dann Zahlen, bei denen auch andere Städte aufhorchen und das hören wir uns immer gerne an, freuen uns über das Interesse und wissen auch, dass die Austragung von NFL-Spielen immer immens hohe Anforderungen an die Infrastruktur hat, sowohl an die Stadien als auch an die Städte. Es muss natürlich zum Beispiel gut erreichbar sein. Insofern sind wir zuversichtlich, dass wir im Laufe des Jahres verkünden können, wie der Fahrplan über dieses Jahr hinaus aussieht. Aber noch gibt es nichts, was wir da jetzt verkünden können.
NFL-Commissioner Roger Goodell hat neulich davon gesprochen, dass er sich in Zukunft sogar 16 oder 17 internationale Spiele pro Jahr vorstellen kann. Von was für einem Zeitrahmen sprechen wir denn da – fünf Jahre, zehn Jahre?
Steinforth: Was man schon sieht, ist, dass Deutschland so etwas wie das erste Puzzlestück in einer neuen Strategie im Bereich Internationalisierung und auch eine Art Testballon war. Mexiko und London waren ja schon länger auf der Karte und haben historisch, kulturell und zum Teil auch geographisch sehr enge Verbindungen zu den USA. Das heißt, Deutschland ist sozusagen der erste wirklich internationale Markt, der dazu gekommen ist. Wir hatten alle schon hohe Erwartungen, aber die sind dann nochmal übertroffen worden. Das hat dann glaube ich bis hin zum Commissioner und den Ownern den Wunsch verstärkt zu sagen: ‘Okay, das ist der richtige Weg und wir wollen gerade international weiter wachsen. Das hat für uns ganz hohe strategische Priorität.’ Als ersten Schritt haben wir ja im letzten Jahr beim Owners Meeting die Bewilligung bekommen, dass wir die Gesamtanzahl der international ausgetragenen Spiele während der Saison von vier auf acht erhöhen können. Und da sehen wir jetzt schon die ersten Entwicklungen, dass wir jetzt in Brasilien spielen, dass wir in Madrid spielen werden und in dieser Achter-Runde werden noch weitere Spiele dazu kommen. Trotzdem ist der Konsens, dass da noch nicht das Ende der Entwicklung erreicht ist. Und das hat der Commissioner mit seiner Aussage auch nochmal unterstrichen. Über welchen genauen Zeitraum wir da sprechen, wird sich in den nächsten Monaten zeigen. Aber ich bin mir sicher, dass es keine zehn Jahre dauern wird, da ist schon viel Geschwindigkeit in dem Thema insgesamt drin.
Das klingt vielsprechend. Doch nun zu einer Pflichtfrage aus deutscher Sicht: Wann kommt endlich Amon-Ra St. Brown mit seinen Lions nach Deutschland?
Steinforth: Sehr gute Frage! Wir wissen erstmal, dass er in den nächsten Wochen auch in Deutschland sein wird und, dass es auch die Möglichkeit geben wird, als Fan mit ihm zusammenzutreffen. Aber da folgen noch Infos. Es ist natürlich fantastisch zu sehen, wie er sich da in den letzten Jahren entwickelt hat und wie er als Deutsch-Amerikaner die Fahne hochhält. Es ist aber immer ein sehr komplexer Weg, diese Spielpaarungen zu finden, und wir haben ja mittlerweile zehn Teams, die die Marketingrechte für Deutschland und gleichzeitig auch das Interesse haben, hier zu spielen – zwei sind jetzt in diesem Jahr dabei. Und die Wahrscheinlichkeit ist nicht gering, dass wir die Lions in den nächsten Jahren auch hier vor Ort sehen werden.
Neu in der NFL ist jetzt auch der deutsch-amerikanische Rookie Brandon Coleman, den die Washington Commanders im Draft gezogen haben. Wie wichtig ist er aus deutscher Sicht für die weitere Entwicklung der NFL hierzulande?
Steinforth: Zunächst mal drücke ich ihm die Daumen, dass sein Start bei den Commanders gut verläuft, dass er sich erfolgreich ins Team integriert und dann alle notwendigen nächsten Schritte macht. Gedraftet zu werden ist ja noch keine Garantie, dass man dann auch wirklich auf dem Platz steht. Aber da sind wir mal optimistisch. Für uns, und das ist auch Teil unserer Strategie, ist jedes zusätzliche Gesicht mit Deutschland-Bezug extrem wichtig. Wir wissen, genauso wie in anderen Sportarten, dass der Sport darüber wächst und noch stärker an Relevanz gewinnt. Deswegen freuen wir uns über die Entwicklung, die wir jetzt im Draft gesehen haben. Aber wir machen auch sehr viel im internationalen Verbund, um die Durchlässigkeit von internationalen Spielern noch weiter zu erhöhen, sei es über die NFL Academy, in der wir schon im Schulalter die besten Talente weltweit scouten, um sie dann auf die Top-US-Colleges im Football zu bringen. Oder über das International Pathway Program, wo wir die Spieler, die schon ein Stück weiter sind, versuchen, in einem sehr sehr intensiven Prozess auch auf NFL-Niveau zu coachen. Wir haben jetzt das spannende Beispiel von Louis Rees-Zammit gehabt, dem ehemaligen Rugby-Spieler aus Wales, der jetzt bei den Chiefs unterschrieben hat. Das ist auch ein sehr großer Fokus aus der Liga drauf und jedes weitere Gesicht aus Deutschland hilft uns da extrem.
Um beim Thema Deutschland zu bleiben: Wie zufrieden sind Sie denn nach einem Jahr NFL bei RTL?
Steinforth: Wir sind extrem zufrieden. Ich glaube wir haben es in den Einschaltquoten gesehen, die sind ja deutlich zweistellig über denen der Vorjahre. Wir sehen es an der Breite des Contents, also nicht nur der Spieltag, sondern auch weit darüber hinaus, sei es das Thema Dokumentationen, Kinderfernsehen, News. Es ist eine extrem wertvolle und wichtige Partnerschaft für uns, weil wir auch gemeinsam daran arbeiten, die NFL vor die Augen möglichst vieler Interessierter zu bekommen. Wir haben jetzt natürlich auch viel über die vergangene Saison gesprochen mit RTL, innerhalb der NFL und auch schon für das kommende Jahr stecken wir ganz tief drin in der Planung. Es war ein super Auftakt für die gemeinsame Partnerschaft und wir freuen uns jetzt auf die nächsten Schritte, denn eines ist glaube ich beiden Seiten klar: Wir haben noch sehr viele Möglichkeiten, extrem viele Chancen, den Sport hier weiter zum Wachsen zu bringen und da arbeiten wir alle zusammen dran.
Das heißt dann auch, dass die generelle Entwicklung der NFL hierzulande positiv ist, oder?
Steinforth: Ja, extrem positiv. Wir haben gerade die Daten des letztjährigen Saison-Reports bekommen. Wir haben die höchste Fan-Anzahl, die wir jemals gemessen haben, höher als es jemals gewesen ist …
Was heißt das konkret?
Steinforth: Wir sind jetzt bei 19,6 Millionen Fans und Interessierten, davon sind 3,6 Millionen Hardcore-Fans. Und da sind wir sehr zufrieden mit.
Welche weiteren Indikatoren für eine positive Entwicklung gibt es?
Steinforth: Die Einschaltquoten sind höher als sie jemals vorher gewesen sind. Wir haben zusammen mit Mexiko mehr Teams als alle anderen Märkte weltweit, die hier vor Ort aktivieren und wir spielen seit drei Jahren Spiele hier. Es gibt immer mehr Kinder, die unser NFL-Flag-Programm durchlaufen, also immer mehr Kinder, die mit dem Sport in Berührung kommen. Deswegen sind wir extrem glücklich und extrem zufrieden und freuen uns auf die nächsten Schritte.
Von den Hardcore-Fans werden sicherlich einige auf den Game Pass zurückgreifen. Da gab es ja anfangs ein paar unzufriedene Kunden und reichlich Kritik. Wie wurde das bei Ihnen aufgenommen?
Steinforth: Da haben sich schon ganz viele Dinge zum Besseren gewendet. Es ist ja auch erst kurz vor Saisonstart verkündet worden, dass es eine globale Partnerschaft mit Game Pass auf der DAZN-Plattform sein wird. Und da hat das Team in den ersten Monaten sehr intensiv zusammengearbeitet, um erstmal auf den Stand des Produkts vom Vorjahr zu kommen. Und das Schöne ist, ich habe jetzt schon mal die Product Roadmap gesehen für das kommende Jahr und, dass da viele Funktionen ausgerollt werden, die es vorher noch gar nicht gab, sodass wir dann bald ein noch besseres Produkt haben werden, als es die Fans aus der Vergangenheit gekannt haben.
Um nochmal auf den Draft zurückzukommen. Der hat normalerweise in den Staaten höhere Einschaltquoten als teilweise Playoff-Spiele anderer Profiligen. Wie erklären Sie sich diese Begeisterung an einem Event, in dem bis auf die Nennung von Namen kaum etwas passiert?
Steinforth: Ja, das ist schon faszinierend. Ich war jetzt auch in Detroit wieder vor Ort wie auch in den letzten Jahren in Kansas City und davor Las Vegas. Und für mich ist immer wieder ein faszinierendes Event, denn wie Sie gerade gesagt haben, ist es ein Sportevent, aber es findet kein Sport statt. Es besteht zu großen Teilen daraus, dass auf der Bühne Namen verkündet werden und dann die Spieler da sind oder zum Teil nicht. Es ist wirklich beeindruckend, wie dieses Event weiterentwickelt worden ist und wie es gerade in den USA und jetzt natürlich auch über die Übertragung bei RTL in Deutschland ein ganz fester Bestandteil des Sportkalenders ist. Wenn man sich dann mal ein wenig mehr damit beschäftigt, wie viel Zeit in den Wochen vorher in den USA Experten, Interessierte und Medien darauf verwenden, zu rätseln, wer wen picken wird und an welcher Stelle. Und das ist glaube ich auch eines der ganz tollen Eigenschaften des US-Sports, dass es eben dieses System Draft gibt, dass der vermeintlich Schwächste der vergangenen Saison als erstes picken kann und dadurch sich eine Dynamik innerhalb der Liga wieder komplett ändern kann und das führt eben dazu, dass die Fans extrem intensiv dabei sind in der Offseason, die gar nicht so wirklich eine Offseason ist. Und es ist faszinierend, das aus den Augen von jemandem zu verfolgen, der jetzt noch nicht seit Kindesbeinen an in diesem US-System großgeworden ist.
Besteht denn aus Ihrer Sicht die Möglichkeit, dass ein Draft in Zukunft mal international und vielleicht auch in Europa stattfinden könnte?
Steinforth: Diese Fragen kommen natürlich immer mal wieder von außen: “Wann können wir denn mal eines der Major-Events, den Super Bowl, das Kickoff-Wochenende, den Draft, den Pro Bowl international austragen?” Aber es gibt gewisse Dinge wie den Super Bowl, die sind einfach so kulturell in den USA verankert, dass ich glaube, dass es schwer wird, dass wir das demnächst international sehen. Aber es gibt immer mal wieder Überlegungen, welche Events man vielleicht nochmal international übertragen könnte. Der Draft ist natürlich auch sehr amerikanisch, weil viele Spieler auch vor Ort sind, aber für das eine oder andere Event ist es nicht ausgeschlossen, dass es vielleicht in Zukunft mal der Fall sein könnte.
Zum Schluss muss ich natürlich noch nach Ihrem Super-Bowl-Tipp fragen, auch wenn es noch sehr früh dafür ist.
Steinforth: Ich glaube, das ist tatsächlich noch zu früh, weil die Saison einfach noch nicht begonnen hat und da kann sich noch alles verschieben. Aber ich glaube, wer die Chiefs mit Mahomes abschreibt, der macht einen Fehler. Die werden richtig heiß sein, zum dritten Mal in Serie die Trophäe mit nach Hause zu nehmen. Aber ich glaube jeder, der das Conference Championship Game mit dem Lions gesehen hat, der vermutet zumindest, dass sie auch sehr motiviert sein werden, diese Last-Minute-Chance, die ihn verwehrt geblieben ist, dieses Jahr zu nutzen. Also insofern kann ich mir diese beiden Teams im Super Bowl vorstellen. Das würde uns auch freuen, weil diese Teams in Deutschland sehr aktiv sind. Aber davon losgelöst, es wird glaube ich wieder eine spannende Saison, es gibt viele Dinge, die sich wieder geändert haben. Das Schöne ist: Die, die wir für die Liga arbeiten, können uns vor allem an schönem Sport erfreuen, an spannenden Spielen. Insofern freuen wir uns, wenn es dann in dreieinhalb Monaten wieder losgeht.
Das Interview führte Marcus Blumberg.